"Es war nicht immer leicht"
Vor vier Jahren aus Syrien geflüchtet: Burhan Alchoufi leitet Bahnhof Apotheke
Foto: Lisa Laibach
01.02.2019 / NEUHOF -
Burhan Alchoufi (39) lebt seit Januar 2015 mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Deutschland. Über Oman ist er aus Syrien geflüchtet und leitet heute die Bahnhof Apotheke in Neuhof. „Uns war wichtig, dass wir in einem Land leben, in dem wir arbeiten können und nicht auf Leistungen vom Staat angewiesen sind“, erläutert Alchoufi, der rasch nach seiner Flucht als politischer Flüchtling in Deutschland anerkannt wurde. „Denn ich liebe meine Arbeit als Apotheker – auch wenn der Weg bis hinter den Apothekertresen in Deutschland ein langer war.“
Studiert hat der heute 39-Jährige an der Universität Damaskus in Syrien. 2002 arbeitete er erstmals als Apotheker. Im Juni 2012 folgte schließlich die Flucht in den Oman, wo die vierköpfige Familie aber keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Über Sammelunterkünfte in Gießen, Kirchheim und Rommerz kam Familie Alchoufi schließlich nach Neuhof, wo sie seitdem in einer eigenen Wohnung leben.
Arbeiten war trotzdem erst einmal nicht möglich: Im September 2015 hatte Burhan Alchoufi begonnen, die deutsche Sprache zu lernen. Zudem musste seine Berufsausbildung in Deutschland anerkannt werden. Unterstützt wurde er dabei vom Kreisjobcenter, das ihm einen Kurs für spezielle Rechtsgebiete bei Apothekern sowie einen Intensivkurs für pharmazeutische Praxis ermöglichte. „Es ist wichtig, dass jemand an einen glaubt“, lobt Alchoufi die Hilfsbereitschaft im Kreisjobcenter. Im November 2016 erhielt er die zweijährige Berufserlaubnis als Apotheker unter Aufsicht.
Aber es war nicht immer leicht. Es gab Situationen, in denen Alchoufi nicht verstand, was die Kunden brauchten. „Meine Kollegen haben mir aber immer geholfen. Sie sind mittlerweile nicht nur meine Kollegen, sondern auch meine Freunde“, sagt Alchoufi, der seine Großfamilie in Syrien zurücklassen musste. „Flüchten bedeutet, dass es kein Zurück gibt. Eine Flucht ist eine Trennung vom eignen Land. Die Arbeit und meine Freunde helfen mir, das zu akzeptieren.“ Auch wenn er seine Familie in Syrien vermisst, war die Flucht die richtige Entscheidung: „Menschen in Syrien verlieren ihre Kinder, ihre Verwandten und Freunde, weil sie im Krieg sterben. Wir leben noch – das ist das allerwichtigste.“
Hilfe beim Erlernen der Fachbegriffe, Gesetze und Selbstmedikationsgrenzen in Deutschland bekam er neben dem Kreisjobcenter auch von seinen Kollegen in der Apotheke. In der Zeit unter Aufsicht hatte er die Möglichkeit, seine Approbation zu erhalten. „Das hieß für mich lernen, lernen, lernen. Ich habe mir das meiste selbst beigebracht“, sagt der 39-Jährige stolz. In Deutschland sei vieles anders als in Syrien. Regelungen seien beispielsweise viel genauer. Aber das eigenständige Lernen hat sich ausgezahlt: Im Februar 2018 erhielt er seine Approbation und damit seine Anerkennung als Apotheker, im Mai 2018 übernahm er die Leitung in der neu eröffneten Filiale in Neuhof. „Ich bin Herrn Wagner unendlich dankbar für seine Unterstützung und sein Vertrauen, das er mir von Anfang an geschenkt hat“, sagt Alchoufi.
Und er liebt seine Arbeit. „Mein Onkel war schon Apotheker, und ich habe ihn als Kind oft in seiner Apotheke besucht. Das hat mir gefallen. Einen weißen Kittel tragen, Leute beraten und Cremes herstellen – das war mein Traum. Ich bin dankbar, dass ich ihn heute auch in Deutschland leben kann.“ (pm) +++