Gedenken an die Holocaust-Opfer
74. Jahrestag der Befreiung: "Auschwitz mit eigenen Augen gesehen..."
Fotos: Jörg Lorey / Stefanie Harth
28.01.2019 / HERINGEN (W.) / OSWIECIM -
Am 27. Januar 1945 erreichten die Spitzen der Roten Armee das KZ Auschwitz-Birkenau. Im größten Vernichtungslager der Nationalsozialisten wurden mehr als eine Million Männer, Frauen und Kinder vergast, erschossen, erhängt und gefoltert. Heute ist Auschwitz das Synonym für den Holocaust, die Massenvernichtung der Juden.
„Am Sonntag, 6. Januar, brachen wir, eine Gruppe von acht Jugendlichen aus der Werratalschule, um ein Uhr nachts in Richtung Oswiecim in Polen auf. Nach etwa neun Stunden Fahrt und wenig Schlaf kamen wir schließlich gegen zehn Uhr im eingeschneiten und ziemlich kalten Oswiecim an.
Am Nachmittag hatten wir eine Stadtführung, in welcher wir gelernt haben, dass Oswiecim nicht gleich Auschwitz ist, was zumindest mir das Gefühl gegeben hat, dass die Einwohner der polnischen Kleinstadt mit dem Vergangenen abgeschlossen haben, was dort passiert ist und trotzdem ein normales Leben führen.
Am Montag haben wir vormittags erneut Sprachanimationen durchgeführt sowie die wichtigsten Wörter und Sätze auf den uns unbekannten Sprachen gelernt. Danach stiegen wir inhaltlich in das Thema ein, was eine Tour um das Stammlager Auschwitz (auch Auschwitz I) beinhaltete. Nach dieser Tour wurde uns langsam bewusst, wie unfassbar groß das Gebiet Auschwitz war. Abends trafen wir uns in den jeweiligen Nationengruppen und reflektierten das Erlebte, bevor wir im ‚Haus der Stille‘ erneut den Abend mit Musizieren ausklingen ließen, diesmal auch mit Jugendlichen der anderen Nationen.
Dienstags ging es uns allen sehr unter die Haut. Wir besuchten das Stammlager Auschwitz, welches von 1940 bis 1945 in Betrieb war und waren alle unfassbar tief berührt, als wir gesehen haben, unter welchen Bedingungen die Inhaftierten dort leben mussten. Die für uns schlimmste Station bei der Besichtigung war Block 11, der ‚Todesblock‘, in dem die Inhaftierten gefoltert, das ‚Gericht‘ der SS Todesurteile im Fünf-Minuten-Takt aussprach und die Verurteilten an der ‚Schwarzen Wand‘ von Gerhard Palitzsch mit einem Kleinkalibergewehr exekutiert wurden.
Am Mittwoch besuchten wir Auschwitz-Birkenau, das riesige Konzentrations- und Vernichtungslager im Ort Brzezinka, etwa drei Kilometer von Oswiecim entfernt, errichtet im Jahr 1941. Wir besuchten das Männerlager, welches aus Pferdestallbaracken bestand, welche ursprünglich für 52 Pferde vorgesehen waren, jedoch lebten dort 400 bis 1.000 Häftlinge auf engstem Raum mit Ungeziefer, Dreck und ausbrechenden Krankheiten.
Im Frauenlager gab es ebenfalls einen ‚Todesblock‘, in welchem die Frauen auf ihre Vergasung warteten – und wer Pech hatte, musste über mehrere Nächte lang auf dem kalten Boden schlafen, während andere wenigstens auf Holzbrettern über dem Boden schliefen. Den Frauen dort war bewusst, dass sie sterben würden und uns war es unbegreiflich, wie Menschen anderen Menschen etwas so Grausames antun können. Abends reflektierten wir das Erlebte in der trinationalen Gruppe und sprachen über unsere Gedanken an diesen grauenhaften Ort, danach ließen wir den Abend erneut im ‚Haus der Stille‘ ausklingen.
Als wir am Nachmittag von der längsten Tour der Woche zurückkamen, trafen wir uns nach dem Abendessen erneut im ‚Haus der Stille‘, wo wir aufschreiben sollten, was wir von dieser Fahrt mitnehmen, bevor wir jeder ein Teelicht anzünden konnten und etwas dazu sagen konnten, wenn wir dies wollten. Erst dann wurde uns bewusst, dass dies unser letzter Tag in der trinationalen Gruppe ist, weswegen wir im Kollektiv weinten, weil uns die anderen Jugendlich so dermaßen ans Herz gewachsen waren. Nachdem wir uns alle gegenseitig getröstet hatten, ließen wir den Abend noch im ‚Haus der Stille‘ ausklingen.
Freitags war es dann soweit: Abschied nehmen. Nach dem Frühstück brachten wir unser Gepäck ins Foyer zur Rezeption, um dort die anderen Nationengruppen zu verabschieden. Es fielen unglaublich viele Tränen und Versprechen für Besuche wurden ausgesprochen, bevor sich die polnische Gruppe auf den Weg zurück nach Odolanow machte, die französische Gruppe den Weg nach Krakau an den Flughafen antrat und wir den Weg nach Heringen antraten.