Pflegepersonalstärkungsgesetz

Wortmonster statt Praxisnähe - Klinikum-Vorstand Dr. Menzel besorgt


Symbolbild

01.02.2019 / REGION - Die Initiative von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) klingt so gut wie simpel: seit dem Stichtag 1. Januar dieses Jahres müssen die Krankenhäuser eine Mindestzahl an Pflegepersonal auf den Intensivstationen, in der Unfallchirurgie, der Geriatrie und der Kardiologie nachweisen. Jedes Plus an Pflegepersonal wird sogar von den Krankenkassen finanziert - ein Segen für so besser versorgte Patienten, die entlasteten Mitarbeiter und die "beschenkten" Kliniken. Aber wie so oft steckt der Teufel im Detail. Was auf den ersten Blick nach einer rundum gelungenen Initiative im Gesundheitswesen aussieht, stößt an der Basis auf eine gehörige Portion Skepsis.


Auch der Fuldaer Klinikumsvorstand Priv. –Doz. Dr. Thomas Menzel sieht handwerkliche Mängel an der Regelungen mit dem schönen Namen "Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) und Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV)". Die strikte Vorgabe des Personalschlüssels pro belegtem Bett sei absolut nicht sinnvoll. Es sei einleuchtend, dass die pflegerische Intensität der Betreuung zwischen den Patienten erheblich variiere, abhängig davon, ob sie zur Beobachtung oder Behandlung, mit oder ohne Beatmung, orientiert oder desorientiert, mobil oder immobil seien. Beispiel: Eine Station mit 36 Betten in der Unfallchirurgie braucht nach der neuen Verordnung drei Pflegekräfte, eine Pflegekraft für zwölf Patienten. "Kommt jetzt ein 37. Patient dazu, müssten wir ihn wegschicken. Wenn wir ihn trotzdem aufnehmen, riskieren wir künftig Strafzahlungen." 

Im Bereich der Intensivmedizin ist die Situation noch vertrackter, in deren Folge unfreiwillige Betten- oder Stationsschließungen und absehbare Versorgungsengpässe nicht auszuschließen seien. "Wenn Mitarbeiter kurzfristig ausfallen und so das vorgeschriebene Verhältnis von 2,5 Pflegekräften pro Patient nicht mehr gegeben ist, müssten wir Betten auf der Intensivstation schließen." Das wiederum habe direkte Auswirkungen auf die Zahl der geplanten Operationen. "Denn nur wenn ich auf der Intensivstation genügend Personal zur Verfügung steht, kann operiert werden." 

Grundsätzlich sei die Initiative des Bundesgesundheitsministeriums zur Verbesserung der Personalsituation in der Pflege in den Krankenhäusern zu begrüßen. Detaillierte Nachbesserungen nach Rücksprache mit den medizinischen Akteuren vor Ort sind aber offensichtlich notwendig. Menzel kritisiert die undifferenzierten Vorgaben: Die für die Intensivstationen festgelegten Personalvorgaben seien keine 'Untergrenzen', sondern die ldealbesetzung, wie sie nach Ansicht der Gesellschaft für Intensivmedizin (DIVI) wünschenswert sei. Die wissenschaftliche Basis, auf der die Festlegung der Untergrenzen beruhe, sei darüber hinaus nicht fundiert.

Eine weitere Crux sei, dass die Verordnung nur examinierte Pflegekräfte in den Blick nehme. Im Klinikum gibt es aber schon lange einen so genannten Skill-mix: "Das heißt, bei uns schiebt nicht die hochqualifizierte Krankenschwester Betten durch die Flure, dafür haben wir den Transportdienst mit entsprechend ausgebildetem Personal. Wir haben Logistikassistenten, die den Schwestern die Schränke auffüllen, wir haben medizinische Fachangestellte, die Sekretariatsarbeiten wie die notwendigen Dokumentationen erledigen, wir setzen Diätassistentinnen ein. Für diese sinnvolle Rationalisierung und Spezialisierung werden wir jetzt bestraft, weil bei den Untergrenzen nur die examinierten Pflegekräfte zählen", führt Menzel aus. Damit werde der Ansatz der qualifikationsgerechten Personaleinsatzes konterkariert.

Woher mehr Pflegepersonal nehmen, wenn es keins gibt?

Das größte Problem bei der Umsetzung des schönen Plans sei aber der akute Mangel an Pflegekräften. "Aktuelle Publikationen sprechen von 40.000 unbesetzten Pflegestellen in Deutschland, davon 16.000 allein in den Krankenhäusern. Es ist derzeit nicht möglich, diese Stellen zu besetzen, weil der Arbeitsmarkt für qualifizierte Pflegekräfte schlichtweg leergefegt ist." Dieses Dilemma werde sich auch in absehbarer Zeit nicht lösen lassen. "Das Klinikum Fulda setzt auf mehr attraktive Ausbildungsplätze im eigenen Bildungs-Zentrum und auf die Reaktivierung von Fachpersonal, das aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr im erlernten Beruf tätig ist. "Wir bieten Einstiegsprogramme für ehemalige Angestellte, die sie wieder fit für den Job machen. Außerdem offerieren wir unseren Teilzeitkräften, ihren Anteil zu erhöhen." 

Menzel kritisiert die zunehmende Praxis, dass sich Krankenhäuser gegenseitig die Pflegekräfte abwerben, wie es vor allem in Ballungsgebieten mittlerweile an der Tagesordnung sei. " Derartige Abwerbekampagnen - und sei es nur der Hinweis darauf, dass die Arbeitsbedingungen im eigenen Haus besonders attraktiv seien - sind kontraproduktiv." 

Wortmonster Pflegepersonaluntergrenzenverordnungsnachweisvereinbarung

Über die beschriebenen Probleme hinaus beschäftigen sich die Krankenhäuser notgedrungen seit Jahresbeginn zusätzlich mit einem eklatant anwachsenden Bürokratisierungsaufwand, für den der - nicht erfundene - Begriff der "Pflegepersonaluntergrenzenverordnungsnachweisvereinbarung" hier als anschauliches Beispiel dient. Gut gemeint ist eben noch lange nicht gut gemacht. "Jegliche flexible Steuerung der Abläufe im Krankenhaus wird den Menschen, die sich dort wirklich gut auskennen, durch starre Vorgaben aus einem Bundesministerium genommen", lautet das Fazit von Krankenhausmanager Menzel. (Carla Ihle-Becker) +++

 


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