Ist in der Klinik etwas schiefgelaufen?
Familie Wolf will Gewissheit, aber: "die Versicherung drückt sich"
Fotos: Stefanie Harth
24.01.2019 / ROTENBURG/F. -
Am meisten schmerzt Familie Wolf aus dem Rotenburger Stadtteil Braach die quälende Ungewissheit: Irgendetwas stimmte nicht, nachdem ihre damals zwölfjährige, schwerstbehinderte Tochter im Januar 2014 in einer niedersächsischen Klinik am Kopf operiert worden war. „Leonies Zustand hat sich nicht verbessert, sondern verschlechtert“, sagt Kerstin Wolf. „Das haben uns auch die nachbehandelnden Ärzte einer mittelhessischen Klinik bestätigt.“
Ist in Niedersachsen eventuell während des Eingriffs oder im Verlauf der weiterführenden Behandlung etwas schiefgelaufen? Leonies Eltern wollen Gewissheit erlangen – mehr nicht. Doch laut Kerstin und Christoph Wolf und deren Rechtsanwalt Jochen Paulus, der auf Medizinrecht und Arzthaftungsrecht spezialisiert ist, stellt sich die Rechtsschutzversicherung des Ehepaares quer. „Die Deurag legt uns durch ihre Verzögerungstaktik riesige Mühlsteine in den Weg“, meint der in Bebra ansässige Jurist.
Anfangs hätte der Wiesbadener Spartenversicherer, ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der Signal Iduna, noch „mitgespielt“. Einer Klage gegen die Klinik auf Herausgabe von Leonies Krankenakte beziehungsweise Einsichtnahme in diese stand nichts im Weg. Dem sich anschließenden Beweissicherungsverfahren, das beim zuständigen Landgericht in Niedersachsen eingeleitet wurde, ebenfalls nicht. „Rein nach Aktenlage liegt kein Behandlungsfehler vor“, erläutert Jochen Paulus. Familie Wolf will aber absolute Gewissheit.
Bereits eingereichte Unterlagen und juristische Stellungnahmen seien von der Deurag „doppelt und dreifach“ angefordert worden. „Wenn ich telefonisch nachhaken will, lande ich in der Warteschleife, ist der zuständige Sachbearbeiter nicht zu sprechen oder es wird einfach aufgelegt“, mokiert sich Paulus über den „Bürokratiekreislauf“. „Mit dieser ‚Aussitzeritis‘ schlagen wir uns jetzt seit Frühsommer letzten Jahres herum. Solange die Versicherung keine Entscheidung fällt, kann ich nicht rechtlich vorgehen – das ist das Perfide.“
Vergangenen November trifft es Familie Wolf knallhart: Zum 5. März 2019 kündigt die Deurag den bestehenden Versicherungsvertrag – aus wirtschaftlichen Gründen. „Nach einer Gesamtabwägung haben wir uns dazu entschlossen, den von Ihnen abgeschlossenen Tarif nicht mehr weiter fortzuführen. Wir müssen deswegen das Vertragsverhältnis zum nächsten Ablauftermin kündigen… Wir bedauern diesen Schritt gehen zu müssen, bitten jedoch für unsere – aus wirtschaftlicher Sicht notwendige – Entscheidung um Verständnis“, heißt es in dem Schreiben.
Kerstin Wolf prophezeit, dass sich die Suche nach einer neuen Rechtsschutzversicherung als „extrem schwierig“ gestalten wird. „Die werden alle ‚juhu‘ schreien“, sagt die Rotenburgerin sarkastisch. Wolfs geht es um Gerechtigkeit. „Wir wollen doch lediglich wissen, was mit unserer Tochter in der Klinik passiert ist. Das Ganze beschäftigt uns und wühlt uns immer wieder auf – das muss ein Ende nehmen.“ Die Konsequenzen trage einzig und allein die Familie.
OSTHESSEN|NEWS hat die Deurag wiederholt dringlichst um eine Stellungnahme gebeten. Diese liegt bis heute nicht vor. (Stefanie Harth) +++