Mehr Stellen als Bewerber

Baggern um Nachwuchs: Umgedrehte Verhältnisse auf dem Ausbildungsmarkt

Baggern um Azubis (v.li.): Hans-Wilhelm Saal, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Dirk von Sierakowsky, Vertreter des Schulamtes, Arbeitsagentur-Chef Waldemar Dombrowski und Jens Hartmann, Bildungsberater der IHK.
Fotos: Stefanie Harth

31.10.2018 / BAD HERSFELD - Es wird für Unternehmen immer schwieriger, Azubis für sich zu gewinnen: Der sich bereits in den Vorjahren abzeichnende Trend, wonach die Zahl der Bewerber um einen Ausbildungsplatz zurückgeht und die Zahl der Ausbildungsstellen steigt, setzt sich fort. Diese Bilanz zieht Waldemar Dombrowski, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda, der gemeinsam mit den regionalen Netzwerkpartnern, sprich: Industrie- und Handelskammer (IHK), Kreishandwerkerschaft, Schulamt und Landkreis, den Ausbildungsmarkt 2017/18 analysiert hat.



Im Detail suchten im Landkreis Hersfeld-Rotenburg 820 junge Leute eine Lehrstelle – das sind im Vergleich zum Vorjahr 38 Personen weniger. Auf der anderen Seite wurden der Arbeitsagentur 1.004 Ausbildungsplätze zur Besetzung gemeldet. „Der Azubimangel von heute ist der Fachkräftemangel von morgen“, sagt der Arbeitsagentur-Chef. „Auf 100 Bewerberinnen und Bewerber kommen im Landkreis Hersfeld-Rotenburg rechnerisch 122 Ausbildungsstellen“, fasst Waldemar Dombrowski die aktuelle Lage auf dem Ausbildungsmarkt zusammen. Ein Spitzenwert, der allerdings vom Landkreis Fulda getoppt wird: Hier entfallen auf 100 Bewerber 167 Stellen. Gründe seien beispielsweise der Trend zum Studium und die demografiebedingt sinkende Zahl an Schulabgängern.

Wie Dombrowski berichtet, müssen die Betriebe in den meisten Sparten um Nachwuchs werben. „Der Ausbildungsmarkt hat sich gedreht: Wir brauchen jeden Kopf; wir brauchen jedes Talent.“ Es gelte, „alle Potentiale auszuschöpfen, die wir haben“. Als „Sorgenkinder“ bezeichnet der Agentur-Chef vor allem kleinere Betriebe. Besonders mangelt es in den Bereichen Ernährung, Bau, Logistik und Handel an Lehrlingen.

Laut Jens Hartmann, Bildungsberater der IHK, seien mehr als 600 Verträge eingetragen worden: das sei im Landkreis Hersfeld-Rotenburg ein Plus von neun Prozent. Die Zahl der nach Deutschland geflüchteten Menschen, die in der Region eine betriebliche Ausbildung machen, sei angewachsen. „114 Menschen mit Migrationshintergrund absolvieren eine Lehre“, sagt er. Die meisten Azubis mit Fluchthintergrund stammen aus Syrien und aus Afghanistan. „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund gesammelt“, bekräftigt der Bildungsberater. „Der Return ist riesig“, pflichtet ihm Frank Kamolz, Bereichsleiter der Arbeitsagentur, bei.

Hans-Wilhelm Saal, Hauptgeschäftsführer der hiesigen Kreishandwerkerschaft, erachtet die Imagekampagne der „Wirtschaftsmacht von nebenan“ als erfolgreich. Fakt sei, dass sich zukünftig Lohn und Gehalt der Fachkräfte und Azubis an die Tarifabschlüsse der Ballungsgebiete anpassen werden – „ein logisches Resultat, das sich aus dem Überhang an Ausbildungsstellen ergibt“. Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen, sei ein „absolutes Muss“.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken baut die Agentur für Arbeit auf die Initiative „Zukunftsstarter“. „Das Projekt will 25- bis 35-Jährige und geringqualifizierte Beschäftigte ermutigen, einen Berufsabschluss zu erwerben“, erläutert Frank Kamolz. Möglich sei dies mit einer Umschulung, einer Ausbildung oder über die Externenprüfung. (Stefanie Harth) +++

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