Schweres CDU-Beben nach Hessen-Wahl

Merkel gibt Macht ab: Parteivorsitz in 2018 - Kanzleramt in 2021 - "Zeit für Zäsur"

Angela Merkel und Volker Bouffier äußern sich bei einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus.
Foto: picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa

30.10.2018 / BERLIN - Politisches Erdbeben in Berlin - Machtkampf in der CDU-Parteizentrale. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montagvormittag bei einer Präsidiumssitzung dem engsten Führungskreis erklärt hat, will sie sich auf dem Parteitag im Dezember in Hamburg nicht mehr zur Vorsitzenden der Christlich Demokraten Union (CDU) Deutschlands wählen lassen. Auch ihren Rückzug als Kanzlerin plant die 64-Jährige. "Nach Ablauf der vierten Amtszeit im Jahr 2021 werde ich nicht mehr für die Kanzlerschaft und auch nicht mehr für den Deutschen Bundestag zur Verfügung stehen. Auch andere politische Ämter strebe ich nach dieser Zeit nicht mehr an", erklärte Merkel am frühen Nachmittag auf einer Pressekonferenz in Berlin.


Merkel zieht mit ihrer Entscheidung nicht zuletzt die Konsequenzen aus der hessischen Landtagswahl, bei der die Christdemokraten mit Ministerpräsident, CDU-Landeschef und Bundes-Vize Volker Bouffier an der Spitze brutal abgestürzt sind. Dazu sagte sie: "Die CDU Hessen hätte deutlich bessere Ergebnisse erzielt, hätte sie nicht unter dem bundespolitischen Negativ-Einfluss gestanden. Schwarz-Grün hat in den letzten fünf Jahren eine tolle Arbeit gemacht."

Bundespolitisch sei viel schief gelaufen: die lange Zeit der Regierungsbildung, das Scheitern von Jameika, der Krach mit der CSU, die velorenen Wahlen in Bayern und Hessen. "Wir müssen jetzt innehalten. Es ist Zeit für eine Zäsur, in der alles auf den Prüfstand gestellt werden muss." Merkel sprach von einer Chance für die Volksparteien CDU/CSU und SPD. "Es muss alles dafür getan weden, das dem Zusammenhalt des Landes dienst. Aktuell zählt jeder Tag - und deshalb habe ich meine Entscheidung, die ich schon vor der Sommerpause getroffen habe, eine Woche vor unserer CDU-Klausurtagung bekanntzugeben." Die Kanzlerin und Parteichefin trage die Verantwortung für alles, was gut und schlecht gelaufen sei. "Das bringen meine Ämter mit sich. Das Bild, was die Regierung abgibt ist inakzeptabel. Die Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen, ist gekommen."

CDU-MdB Brand am Sonntagabend: "Merkel muss Botschaft verstehen und handeln"

Michael Brand, Fuldaer Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der CDU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, erklärte bereits am späten Sonntagabend gegenüber OSTHESSEN|NEWS: "Dieses Ergebnis war ein klarer Kinnhaken und der ist aus Berlin gekommen. Und wer wie Seehofer eine ganze Koalition über Monate in Geiselhaft nimmt, der darf sich nicht wundern, wenn die Leute am Schluss sagen jetzt auch endlich mal ein Schuss vor den Bug. Was die CDU auf Bundesebene angeht, so kommt es jetzt darauf an, dass auch Angela Merkel die Botschaft versteht und entsprechend handelt, dass sie endlich offener wird, mehr zu Gespräch und Beteiligung einlädt, und dass die bleierne Atmosphäre endet, die sich über die Union in Berlin gelegt hat."

Und Brand wurde noch deutlicher: "Eines kann es nach diesen katastrophalen Ergebnissen auf gar keinen Fall geben: ein Weiter so. Wenn wir den Stil und damit auf Dauer auch die Ergebnisse unserer Arbeit verbessern, dann haben wir eine Chance, aus dieser Katastrophe zu lernen."

CDU-Kreischef Markus Meysner: "Chance für Erneuerung"

"Wir freuen uns, dass Angela Merkel ein Signal für eine personelle Veränderung sendet und damit eine Chance für eine Erneuerung schafft. Als Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Fulda habe ich der Kanzlerin ein Buch mit dem Titel 'FULDA bringt sich ein' überreicht. Dort waren 30 Forderungen enthalten, die wir im Januar in einem Diskussionsforum mit unseren Mitgliedern gesammelt haben. Zwei dieser Forderungen waren: 'Es ist rechtzeitig und kontinuierlich Nachwuchs für die entsprechenden Positionen aufzubauen.' und "Wahlergebnisse auf allen Ebenen sind zeitnah zu analysieren und die Ergebnisse und notwendigen Konsequenzen daraus mitzuteilen.' In diesem Kontext verstehen wir die aktuelle Situation in Berlin und die Bereitschaft von Kanzlerin Merkel, nicht mehr für den Parteivorsitz anzutreten."

Machtkampf um Chefposten: Wer folgt Merkel an der Parteispitze?

Merkel ist seit 2000 Parteivorsitzende, seit 2005 Bundeskanzlerin. Letzte Woche Donnerstag ließ sie sich nach Fulda zum großen Wahlkampf-Finale der Hessen-CDU einfliegen um ihren engen Vertrauten Volker Bouffier zu unterstützen. Die Kanzlerin zeigte sich in der Esperantohalle kämpferisch. Jetzt kommt die Rücktritts-Ankündigung zunächst als Parteichefin, später als Kanzlerin und damit verbunden schon im Dezember ein erster großer Machtverlust.

Schon jetzt beginnt in Berlin ein interner Machtkampf um die Nachfolge Merkels. Als neuer Parteichef, so berichtet BILD,  wird der ehemalige Fraktions-Chef von CDU/CSU Friedrich Merz gehandelt. Gegenüber Vertrauten habe Merz geäußert, er sei bereit, sich der Verantwortung zu stellen, wenn die Partei das möchte. Er kam als Erster aus der Deckung. Weitere Kandidaten für das Amt sind die amtierende CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbaeuer und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Beide machten ihre Kandidatur heute öffentlich. (Christian P. Stadtfeld, z.Zt. in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden) +++

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