50 Jahre Lebensgemeinschaft (5)

Zu Besuch in der Töpferei: Wo handgemachte Dinge glücklich machen

In der Töpferei auf dem Richthof entstehen in liebevoller Handarbeit die mannigfaltigsten Gebrauchs- und Ziergegenstände.
Fotos: Stefanie Harth

30.10.2018 / SCHLITZ - Gleichmäßig streicht Korinna Bockerad den Ton in die Gipsform und arbeitet konzentriert die Innenform aus. Eine Tätigkeit, die viel Fingerspitzengefühl erfordert. „Jetzt müssen wir erst einmal warten: es dauert mindestens einen Tag, bis der Rohling herausgenommen und nachbearbeitet werden kann“, erläutert die 52-jährige, die seit 35 Jahren die Lebensgemeinschaft auf dem Richthof ihre Heimat nennt.



Becher, Tassen, Teller, Schalen, Krüge, Kannen, Stövchen und Vasen: In der dorfeigenen Töpferei entstehen in liebevoller Handarbeit die mannigfaltigsten Gebrauchs- und Ziergegenstände. „Aktuell sind individuell gestaltete Namensbecher der Renner“, berichtet Isabella Schulze-Brüninghoff, die 20 Jahre lang „Hausmutter“ in der Dorfgemeinschaft in Sassen war und in der Töpferei auf dem Richthof eine neue Herausforderung angenommen hat. Drei Wochen – inklusive Trockenzeit – würden ins Land ziehen, bis eine solche Tasse, die wie sämtliche Produkte spülmaschinenfest und mikrowellengeeignet sei, in den Verkauf komme.

Eine explizite Werkstattleitung gibt es in der Töpferei nicht. „Wir begreifen uns als Team“, bekräftigt Isabella Schulze-Brüninghoff, die sich aufs Glasieren und Bemalen des Steinguts spezialisiert hat. „Bei uns arbeiten pädagogische sowie handwerkliche Fachkräfte Hand in Hand. Gemeinsam stehen wir den betreuten Menschen, die hier ihrer Tätigkeit nachgehen, unterstützend zu Seite.“

Korinna Bockerad ist eine von insgesamt zwölf Menschen mit intellektueller Behinderung, die in der Töpferei ihre Kreativität ausleben dürfen. „Angefangen habe ich mit der Fertigung von Müsli- und Kompottschalen“, erzählt sie. „Jetzt mache ich auch Dessertteller und modelliere Tiere für Vogeltränken sowie Wichtel, Engel, Schwimmkugeln und Rosenkerzenhalter.“ Es sei schön zu sehen, dass man etwas mit den eigenen Händen erschaffen hat. Noch schöner sei es, wenn man mit dem Selbstgeschaffenen anderen eine Freude bereiten kann.

Korinna Bockerad ist eine kreative Frau: In ihrer Freizeit spielt sie Theater – im von der Lebensgemeinschaft inszenierten ‚Peer Gynt‘-Stück hat sie die Rolle der Solveig übernommen und darf ihr erstes Solo singen –, und greift zur Flöte. Keyboard und Klavier haben sich vor kurzem hinzugesellt. „Ein zweites Instrument musste her.“

„Es ist schön, dass es hier so ist. Hier können Menschen, die benachteiligt sind, zusammenarbeiten“, meint die 52-Jährige. „Jeder von uns kann etwas.“ Allein leben kann Korinna Bockerad laut eigener Aussage nicht. „Allein würde ich hilflos sein.“

„Zusammen leben, zusammen arbeiten und zusammen Kultur erleben und gestalten“ ist die Philosophie der Lebensgemeinschaft e.V., die 1968 und 1977 die beiden Dorfgemeinschaften Sassen und Richthof aus der Taufe gehoben hat und sich auf ein anthroposophisches Menschenbild gründet. Zwei Gemeinwesen sind entstanden, in denen seit nunmehr fünfzig beziehungsweise 41 Jahren soziale Formen gefunden, geübt, gepflegt und weitergebildet werden, in denen sich alle geborgen fühlen können. Mehr Infos: https://lebensgemeinschaft.de/. (Stefanie Harth) +++

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