Meist Missbrauch von Alkohol und Medikamenten
Suchtverhalten rechtzeitig erkennen: Netzwerk "Sucht im Alter" hilft
Foto: Eva Bohr
21.09.2018 / BAD HERSFELD -
Sucht macht auch im zunehmenden Alter nicht halt. Sie beeinträchtigt die Lebensqualität, macht krank oder verschlimmert bestehende Krankheiten. Wissenschaftliche Untersuchungen sprechen von 4,1 Mio. Menschen ab 65 Jahren mit einem riskanten und somit gesundheitsgefährdenden Alkoholkonsum. Etwa 400.000 Männer und Frauen konsumieren Alkohol missbräuchlich oder sind von einer Abhängigkeit betroffen. Außerdem nehmen geschätzt 1,7 Mio. Menschen über 60 Jahren psychoaktive Medikamente wie Schmerz- und Beruhigungsmittel in missbräuchlicher Dosis.
Demgegenüber suchen wenige Menschen der höheren Altersgruppe eine Suchtberatungsstelle auf. Sei es aus Scham oder aus Mutlosigkeit oder der Angst, gesehen zu werden. Auch auf Seiten der Angehörigen bestehen Hemmnisse, das Thema anzugehen. Alexandra Lauer und Eva-Maria Bohr vom Beratungs- und Behandlungszentrum für Abhängigkeitserkrankungen des Zweckverbandes für Diakonie in den Kirchenkreisen Hersfeld und Rotenburg berichten von Vorurteilen wie „lass sie doch ihr Schnäpschen trinken, sie haben ja sonst nicht mehr viel“. Damit werden häufig die tatsächlichen Probleme heruntergespielt und stehen einer Beratung und Behandlung im Weg.
Auch Pflegekräfte ambulanter und stationärer Pflegedienste und Wohneinrichtungen sind häufig mit Suchtproblemen konfrontiert, denen sie ratlos gegenüberstehen. So berichtet Frau Höhmann von der Residenz Ambiente: „Manche sind schon abhängig, wenn sie einziehen. Wir sehen, dass Flaschen versteckt werden." Auch Gangunsicherheit, Stürze, Depressionen, Gewichtsverlust oder Verwirrtheit können Folgen von Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch sein.
Dabei sind Behandlungserfolge in der höheren Altersgruppe gut. Kristin Weissmüller ist Therapeutin in der MEDIAN Klinik Wigbertshöhe in Bad Hersfeld, die ein spezielles Behandlungsangebot für ältere Menschen ab 50 bis hin zum Alter von 80 Jahren hat. Ihre Erfahrung zeigt: „Wer bereit ist sich zu öffnen und den Wunsch hat, etwas zu ändern und Hilfe anzunehmen, hat gute Chancen.“
Um Pflegekräften Handlungsanleitungen zu geben, seien Schulungen zur suchtsensiblen Pflege durch die Fachstelle für Suchtprävention geplant. Dem Netzwerk gehören aktuell acht Organisationen als Mitglied an. Neben den bereits erwähnten sind dies der Magistrat der Stadt Hersfeld, Fachbereich Generationen, der Landkreis Hersfeld-Rotenburg mit dem Pflegestützpunkt, die Kreisverkehrswacht und AWO mobil HEF/WMK Pflege Zuhause.
Interessierte können sich bei der koordinierenden Stelle melden:
Beratungs- und Behandlungszentrum für Abhängigkeitserkrankungen (bbz)
Diakonisches Werk in den Kirchenkreisen Hersfeld und Rotenburg
Kaplangasse 1
36251 Bad Hersfeld
Telefonnummer: 06621 61091 (pm) +++