"Das Vergessen ist eine Gefahr für uns"

Zeitzeugen gedenken der Bombardierung Fuldas 1944 am Gemüsemarkt

Zeitzeugen trafen sich zur Gedenkveranstaltung in Erinnerung der Bombardierung am 11. September 1944 am Gemüsemarkt
Fotos: Leyla Rommel

12.09.2018 / FULDA - Die Schrecken des Krieges nicht vergessen und der Opfer gedenken - das stand am Dienstag im Vordergrund der Gedenkveranstaltung zur Bombardierung Fuldas. Am 11. September 1944 wird die Barockstadt zum Opfer der Flieger der Alliierten, insgesamt 342 Menschen sterben in Fulda an jenem Tag. Alljährlich ruft die Gedenkveranstaltung am Gemüsemarkt, die von den Familien Mott und Hahner organisiert wird, zum gemeinsamen Erinnern auf. Den Beginn machte das Blechbläserquintett des Musikkorps der Bundeswehr Siegburg. Pfarrerin Anke Mölleken und Stadtpfarrer Stefan Buß luden zum gemeinsamen Gebet ein.



„Es war ein sonniger Montag, als zwischen 13:13 Uhr und 13:32 Uhr die Bomben fielen“, sagt Michael Mott in Rückblick auf den Schreckenstag. Auch der Gemüsemarkt wurde getroffen. „Übrig geblieben ist ein Teil des Harstall-Brunnens. Die Spitze ist weg, doch er ragt wie ein mahnender Zeigefinger heraus. Er soll an die Geschehnisse erinnern, genauso wie die Gedenkplatte daneben.“ Insgesamt 1.600 Bombentote fordert der Krieg in Fulda, für eine Stadt von damals 33.000 Einwohnern im Verhältnis eine Spitzenzahl in Deutschland.

„Es ist unfassbar schwer zu verstehen, was damals geschehen ist“, sagt Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld. „Der heutige Tag steht für das, was am 11. Und 12. September in Fulda passiert ist, für das Leid, das die Bürgerinnen und Bürger, aber auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ertragen mussten. Diese Opfer wollen und dürfen auch 74 Jahre später nicht vergessen werden.“ In historischer Rückschau seien die Ereignisse unbegreiflich, wo der Krieg doch fast entschieden war. „Unschuldige wurden Opfer einer Spirale des Hasses und der Gewalt. Heute scheint alles weit weg, unsere Vorstellungskraft hat ihre Grenzen, wenn wir etwas nicht miterlebt haben. Doch genau das ist eine Gefahr für uns.“

Zeitzeuge Rudolf Kress (91) erlebte den Tag als 17-Jähriger und ließ seine Erinnerungen aufleben. Er war Lehrling bei der Firma Rübsam, in der Bunkerlichter hergestellt wurden. Ihm wurde am 11. September die Aufgabe des Melders zugeteilt, er sollte Ausschau nach Fliegern halten. „Angst hatte ich in dem Moment keine, denn eine Bombardierung hatte ich so noch nie erlebt. Es war ein faszinierender Ausblick.“ Gegen 13 Uhr setzte jedoch das erste Flugzeug sein Angriffszeichen. „Die Türen im Bunker waren kaum verschlossen, als Bombenschläge zu hören waren. Das Licht ging aus, Staub kam durch die Luftschächte. Die Fabrik hatte einen Volltreffer erhalten.“ Ein Feuer bricht aus, erst nach langen Löscharbeiten kann man es stoppen. Kress überlebt die Katastrophe, doch die Erinnerungen sind 74 Jahre später noch immer präsent.

Im Anschluss läuteten die Glocken der Stadtpfarrkirche im Andenken an die Opfer des 11. Septembers. (Leyla Rommel) +++

X