Ein Höhepunkt im KUKI-Jubiläumsprogramm

Lässiger geht’s kaum: Glanzvoller Jazz-Abend mit der großartigen Gitte Haenning

Gitte Haenning - wunderbar!
Fotos: Kulturverein KUKI Schlüchtern / Bornholdt

26.08.2018 / SCHLÜCHTERN - Das Jubiläumsprogramm des Schlüchterner Kulturvereins KUKI zum 25-jährigen Bestehen geizt nicht mit Glanzlichtern. Und mit der großartigen dänischen Sängerin Gitte Haenning, die 1963 in Deutschland ihren Durchbruch mit „Ich will 'nen Cowboy als Mann“ hatte, war am Freitagabend ein weiterer, wenn nicht gar am Ende „der“ Höhepunkt der diesjährigen Veranstaltungsreihe am Start.

„Nein, ich bin nicht der Cowboy“, witzelte KUKI-Vorstandsmitglied Hanspeter Haeseler bei der Begrüßung in der technisch gerade auf den neuesten Stand gebrachten ausverkauften Stadthalle, in die vor allem weibliche Ü-40-Fans gekommen waren, die Gitte (verzichten wir der Einfachheit halber im Folgenden auf den Nachnamen) mit tosendem Applaus begrüßten. Die Künstlerin machte von Anfang an klar, wohin die Reise gehen werde: „Ich habe keine Lust, mich wie eine versteinerte Ikone auf der Bühne zu fühlen, und bringe deswegen bewusst meine alten Schlager nicht,“ sagte die Wahl-Berlinerin. Stattdessen stehe das Programm unter dem Titel „Meine Freunde, meine Helden, Ihre Gitte!“

Gitte hat in ihrer über 60-jährigen Karriere so viele tolle Künstler kennengelernt, vor denen sie sich mit dem aktuellen Programm verneigt. Sie singt Lieder von Udo Lindenberg, Rio Reiser (zum Niederknien: „Für immer und Dich“), Marlene Dietrich, Nina Simone. Nur drei eigene Nummern gibt es: den Opener „Lampenfieber“, „Ich will alles“ und - na klar! - den „Cowboy“, diesen freilich in einer ultracoolen Version, die an Elvis‘ „Fever“ erinnerte.

Die Frau ist wie Wein: je älter, desto besser. Die Haartolle punkig nach oben geföhnt und lässig bekleidet mit roten Schuhen, einer weißen Leggins und einer weißen Bluse mit riesigem Kragen, der sich auf einen langen schwarzen Blazer legt, sieht man ihr die 72 kaum an. Die Stimme ist kraftvoll und geschmeidig wie eh und je. Viel wichtiger als das Äußere ist freilich ihr unbeschreibliches Charisma. Seit sie acht war, steht sie auf der Bühne, ihrem Schlagerdurchbruch in Deutschland 1963 folgte zwei Dekaden später der Wechsel ins Jazz-Fach. Diese Frau ist einfach mit allen Wassern der Branche gewaschen und lebt ihre Musik.

Oft sieht das Publikum sie bei Soli nur von hinten, als nähme sie die Kraft der Band mit jeder Pore auf, um sie dann mehrfach potenziert nach vorn zum Publikum weiterzuleiten. Sie ist immer am Wippen, Schnippen, Klatschen, Tänzeln - die Wirbelsäule einer großartigen kleinen Jazz-, Swing-, Soul- und Rockband eben. Selbst bei deren Vorstellung gerät der Auftritt zum Happening: Neben Gitte standen auf der Bühne Sebastian Weiß (Keyboards), Thomas Alkier (Drums), Olaf Casimir (Bass) sowie Benedikt Reidenbach (Gitarre).

Die ganz großen Künstler erkennt man oft daran, dass sie keinen Schnick-Schnack brauchen. Die Lichtshow ist dezent, aber wirkungsvoll; nach der Pause singt Gitte - jetzt im Matrosenlook gekleidet - „There’s no business like showbusiness“ vor der Bühne direkt beim Publikum; und es sind vor allem auch ihre mit leiser Stimme vorgetragenen selbstironischen Zwischenmoderationen, in denen sie aus ihrer Karriere plaudert, die das Publikum in ihren Bann ziehen.

In der Zugabe betont Gitte, wie wichtig es für Künstler ist, Stellung zu beziehen, und stimmt eine ziemlich ätzende - im besten Sinne des Wortes - Version von Bob Dylans „Blowing in the Wind“ gegen die „Newcomer im politischen System in Deutschland“ an. Explizit benennt sie die AfD zwar nicht, aber jedem im Saal ist klar, wer gemeint ist. - Nach zweieinhalb Stunden gab es stehende Ovationen, donnernden Applaus und Blumen für die Künstlerin. (Matthias Witzel) +++



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