Liebe zum Labskaus

Die "Gorch Fock" wird 60: Elmar Zuspann hat als Smutje die Matrosen bekocht

Elmar Zuspann in Matrosenuniform
Fotos: privat

24.08.2018 / HÜNFELD - Am 23. August 1958 lief die "Gorch Fock", das Segelschulschiff der Deutschen Marine, vom Stapel. Der Hünfelder Gastronom Elmar Zuspann war von 1969 bis 1971 als Smutje an Bord und bekochte 160 Matrosen unter widrigen Bedingungen. Die Erfahrungen haben Zuspann auch kulinarisch geprägt - und mancher maritime Einfluss hat den Weg in seine Hünfelder Küche gefunden.


Um auf dem prestigeträchtigen Segelschulschiff unterzukommen, mussten zuerst mehrere Hürden genommen werden: "Mein Vater wollte nach den Schrecken des Naziregimes keines seiner Kinder beim Militär sehen. Das hat einiges an Überzeugungsarbeit gekostet. Außerdem kam man nicht einfach als Koch auf die Gorch Fock: In der Marineversorgungsschule auf Sylt musste ich eine Aufnahmeprüfung machen und eine Grundausbildung durchlaufen, obwohl ich bereits vorher als Koch gearbeitet hatte. Aber auf hoher See gelten andere Regeln als auf dem flachen Land", erinnert sich Zuspann.

18 bis 21 Tage segelte die "Gorch Fock" auf den Weltmeeren, außerhalb der Schifffahrtslinien. 21 einsame Tage: "Damals gab es noch keine Handys. Bis man im nächsten Hafen war, um die Post abzugeben, war manche Beziehung schon in die Brüche gegangen. Es gab Typen, die waren deswegen schwertraurig und sind nach einem Besäufnis über Bord gegangen." Während die Matrosen draußen mit dem Seegang kämpften, hatte Zuspann in der Kombüse die Spiegeleier unter Kontrolle zu halten: "Rund um den Ofen war eine Schlingerleiste, die verhindern sollte, dass bei schwerem Seegang etwas herunterfällt, aber man hatte so seine Tricks, um überhaupt vernünftig arbeiten zu können: Die Töpfe konnten nur halbvoll gemacht werden, das Geschirr wurde in die Schränke geklemmt - und wenn man ein Spiegelei in der Pfanne hatte, ist das hin- und hergerutscht, bis man noch etwas anderes in die Pfanne gelegt hat. Das Wasser ist dann schräg aus dem Hahn gekommen, wenn das Schiff sich durch die Wellen gekämpft hat. Daran erinnere ich mich, wenn's heute in der Küche mal stressig zugeht", erklärt Zuspann.

Die kulinarische Versorgung war wichtig fürs Klima an Bord - auf gesunde Ernährung für die Matrosen wird zudem traditionell Wert gelegt: "Eine vitaminreiche Küche war schon wegen Seemannskrankheiten wie Skorbut wichtig. Salat und andere Lebensmittel, die schnell verderben, wurden aber zuerst aufgebraucht. Und allein aus Traditionsgründen gab es auf jeder Reise einmal Labskaus. Gesalzenes Fleisch und gesalzener Fisch halten sich besonders lang - und Labskaus ist eine Delikatesse, richtig zubereitet." Einmal im Jahr wird in der Waldgaststätte Praforst in Hünfeld das Kartoffelgericht mit Rindfleisch und Roter Bete aufgetischt: "Durch die drei Jahre auf See habe ich auch eine besondere Liebe zum Fisch - die Fischwochen in der Praforst sind so entstanden. An Bord habe ich Disziplin und Teamgeist gelernt, die auch in der Festland-Küche helfen: Mit Bäcker, Metzger, Proviantmeister und Zivilkoch zusammen habe ich 160 Matrosen versorgt. Die wurden in Gruppen von jeweils 12 Mann abgefertigt. Die Tische in der Kantine waren festgeschraubt, feuchte Handtücher unter den Tellern haben bei Seegang das Essen überhaupt erst möglich gemacht. Die Zeit hat auch mein Menschenbild geprägt: Egal wie prominent oder angesehen, es sind alles nur Menschen - spätestens auf der Schiffstoilette." (Marius Auth) +++




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