Nach Ria Noll kommt Heike Richter
Glaubenszeugnis aus Körnern und Blüten: Früchteteppich mit neuer Leiterin
Fotos: Marius Auth
26.08.2018 / HÜNFELD -
Der Früchteteppich in Hünfeld-Sargenzell verzaubert Besucher seit 31 Jahren mit lebendigen Motiven aus Samen, Körnern, getrockneten Blüten und Blättern. In diesem Jahr entsteht das Mammutprojekt unter neuer künstlerischer Leitung: Malerin Heike Richter aus Hünfeld-Mackenzell will das biblische Motiv durch eine veränderte Legetechnik zum Strahlen bringen.
Neu ist die Legetechnik: Bisher wurde das Bild nur in seinen Umrissen vorgezeichnet, die danach mit Rapskörnern beklebt wurden. Danach wurden die Flächen einfarbig mit Samen, Körnern, Blüten und Blättern aufgefüllt. Erst im Anschluss wurden Gewänder, Gesichter, Haare und andere schwierige Bereiche schattiert. "In diesem Jahr habe ich das Bild vorher komplett farbig ausgemalt, danach haben die Ränder mit Körnern gleich die richtige Farbe bekommen, die Flächen die richtige Schattierung. Dadurch gibt es keine zusätzlichen Konturen mehr, das Bild sieht lebendiger aus", erklärt Richter. Ein Team von 16 Mitarbeitern arbeitet in Schichten bückend, hockend und sitzend am und auf dem Teppich. Bevor die Körner auf die Platte aufgetragen werden, wird jedes einzeln am Tisch auf Verfärbungen und andere Fehler untersucht und gereinigt. Körner können Jahrzehnte wiederverwendet werden, Blüten werden jedes Jahr frisch getrocknet. 120 Körnerarten werden eingesetzt, um Farbe, Textur und Struktur der Vorlage möglichst originalgetreu nachzubilden.
In Marmeladengläsern stehen die wertvollen Ressourcen rund um die Spanplatten. Tag für Tag entsteht das Werk von den Rändern nach innen, dann bleibt nur noch ein Pfad, auf dem sich die Helfer nach außen arbeiten. Die langjährige künstlerische Leiterin des Früchteteppichs Ria Noll, 30 Jahre Herrin über Körner und Blüten, stand in diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung. Nachfolgerin Heike Richter hat ein eigenes Kunstatelier mit Schwerpunkt Porträtmalerei in Hünfeld-Mackenzell und gibt seit zehn Jahren Malkurse: "Als ich angesprochen wurde, war ich mir nicht sicher, ob ich das kann, diese großen Dimensionen, und das mit Körnern: Ich habe auf einer Platte von 80 mal 80 Zentimetern zu Hause erst mal geübt und Motive gelegt, bis das geklappt hat", erklärt Richter. Weiß gestrichene Spanplatten bilden die Unterlage, die liegen wiederum auf verschraubten Dachlatten, die Stabilität geben, um sich auf der Konstruktion bewegen zu können.
Samen, Körner, Blüten und Blätter sind nicht gefärbt, manche Bild-Details stellen deswegen vor unerwartete Herausforderungen: "Für den Himmel haben wir ein helles Blau gebraucht – aber wo bekommt man das her um diese Jahreszeit? Wir haben glücklicherweise eine WhatsApp-Gruppe in Sargenzell, da habe ich aufgerufen, dass die Leute mal in ihrem Garten schauen sollen. Blauer Hibiskus hat dann funktioniert, der hält getrocknet seine Farbe. Aber aufwendig ist das schon: Ein Eimer Hibiskus gibt getrocknet gerade ein Marmeladenglas voll. Man muss auch vorplanen: Für das Orange habe ich im Winter Schalen von Apfelsinen und Mandarinen getrocknet und gemahlen. Ein frisches Gelbgrün kommt von zerkleinerten Mungobohnen", erklärt Mitarbeiterin Brigitte Lindner. "Mit allen Leuten, die hier an der Kasse stehen, das Projekt betreuen und uns sonst unterstützen, umfasst unser Team 110 Ehrenamtliche. Um die Besucher gut informieren können, erhalten wir auch jedes Jahr vorher im Bonifatiuskloster eine Einführung zum Motiv, das wir gelegt haben."
Die Idee zum Früchteteppich kommt aus dem baden-württembergischen Otterswang: Im Altarraum der barocken Kirche wird zum Erntedank seit beinahe 50 Jahren ein Früchteteppich gelegt, wenn auch mit sechs Quadratmetern Fläche wesentlich kleiner als in Sargenzell. 1987 waren Gemeindemitglieder vor Ort: "Damals ging es darum, unsere Alte Kirche vor dem Abriss zu bewahren. So ein Früchteteppich schien eine gute Möglichkeit, um auf unser Anliegen aufmerksam zu machen und Spenden zu sammeln. 1988 haben wir dann angefangen", erklärt Lindner.
Die Ausstellung ist von Samstag, 8. September, bis Sonntag, 4. November, täglich von 9-18 Uhr geöffnet. Es sind immer ehrenamtliche Helfer anwesend, die den Besuchern das Bild und die Bedeutung der einzelnen Geschehnisse erklären und Fragen beantworten. Gerne werden Gruppen angenommen, die sich unter Telefon 06652/180195 oder 06652/7938591 anmelden können. (Marius Auth) +++