Halle gekündigt

Trauriges Ende einer Miniatur-Idylle: Modelleisenbahn braucht neue Heimat

Noch lacht Jürgen Hartmann, aber bald ist es vorbei mit dem kleinen Idyll. Die Halle muss geräumt werden.
Fotos: Finn Rasner

22.07.2018 / KÜNZELL - Leise tuckern Dampflocks und D-Züge durch eine Bilderbuchlandschaft, der Himmel ist blau mit einzelnen Federbett-Wolken bestückt, nur über dem Stahlwerk sind sie ziemlich grau: die allseits bekannte und geliebte Mini-Welt auf 550 Quadratmetern Hallen-Fläche in Künzell zieht seit mittlerweile elf Jahren kleines und erwachsenes Publikum in seinen Bann. Die Idylle der 60er Jahre, die Jürgen Hartmann gemeinsam mit Ehefrau Michelle mit wahrem Fingerspitzengefühl, pädagogischem Anspruch und Detailverliebtheit geschaffen hat, begeistert nicht nur Modelleisenbahnfans. "Wir wollten eben nicht nur Landschaft mit Schienen, Berg und Tal, sondern auch Industrieanlagen wie die Zeche Zollverein, das Stahl- und Walzwerk, was es so gar nicht mehr gibt", erklärt der Miniwelt-Experte. Außer unzähligen Arbeitsstunden für den Aufbau und die ständigen Erweiterungen steckt auch eine Menge Kapital in der Anlage und den Zügen - vom historischen Adler bis zum ICE der Gegenwart. Doch mit all dieser Pracht im Maßstab 1:87 soll in exakt sieben Tagen endgültig Schluss sein?


"Ja, es ist leider so", bestätigt Hartmann mit Bedauern. "Unser Mietvertrag für die Halle wurde nicht verlängert - wir müssen definitiv raus - da ist nix mehr zu machen." Ihm und seinen Mitstreitern graut es vor dem Abbau der Anlage und all ihrer liebevoll installierten Einzelheiten. Da gibt es zum Beispiel Kanzlerin Merkel, die - selbstverständlich mit Raute - Donald Trump deutsche Wertarbeit an Teilstücken der Berliner Mauer erklärt. Vor dem Roten Rathaus fährt gerade John F. Kennedy mit Willy Brandt im offenen Straßenkreuzer vor, während am Bordell mit Table-Dancing offenbar eine Razzia im Gange ist. Mit großartiger Ausdauer konzertieren die Sabinetts auf der Open-air-Bühne, bei Getränke-Koch ist große Nachfrage und offenbar ist ein Passagier aus der Achterbahn "Wilde Maus"gestürzt. "Nein", sagt der Hausherr, da hätten wohl wieder kleine Besucher ihre Fingerchen nicht bei sich behalten können, das käme vor.

Faible für klimperkleine Erotik

Angesichts vieler kleiner Unfallgeschehen wie aus der Kurve gerauschten Seifenkisten, umkippendem Motorroller, Blaulicht- und Löscheinsatz mit Sprungtuch, Skistürzen und einem ausgebrochenen Tiger vor der Telefonzelle ist die Welt im kleinen bei näherem Hinsehen nicht mehr ganz so heil. "Das gehört doch zum Leben dazu", betont der 55-jährige Schöpfer, der offenbar auch ein Faible für klimperkleine Erotik hegt: knutschende Pärchen im Grünen, ein Aktmodell posiert vor der Staffelei, das horizontale Gewerbe ist mehrfach vertreten, eine barbusige Frau rennt im Schwimmbad einem kleinen Dieb mit ihrem Bikinioberteil hinterher ...

Es wäre wirklich ein Jammer, wenn all dieser Einfallsreichtum und die Detailtreue für immer dahin wären. Bei den Modelleisenbahnfans hat sich die traurige Nachricht schon herumgesprochen. Sie kommen zum Abschiednehmen und machen vielleicht noch ein Schnäppchen beim Abverkauf. Gibt es wirklich keine Zukunft für diese tolle Anlage? Jürgen Hartmann wiegt den Kopf. Er ist im Gespräch mit der Stadt Fulda und hat einen kleinen Hoffnungsfunken, ein Licht am Ende des Tunnels. Es wäre ihm von Herzen zu wünschen. https://www.modelleisenbahn-fulda.de
(Carla Ihle-Becker)+++

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