Schwerer Job als Landarzt

Dr. Silvia Steinebach will sich nicht abfinden - Krankenkassenvertreter zu Gast

Dr. Silvia Steinebach
Foto: O|N Archiv

20.07.2018 / HOSENFELD - Silvia Steinebach, seit fünf Jahren Landärztin in Hosenfeld, will sich mit ihrer beschwerlichen Situation durch absurde Bürokratie nicht abfinden: sie liebt ihre Arbeit, stöhnt aber über unsinnige Vorschriften und Abmahnungen von der Prüfstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen. Die wirft der engagierten Ärztin vor, dass sie überdurchschnittlich viele Hausbesuche macht und ihre Patienten auch bis zu deren Tod zu Hause betreut. Vor allem das letztere sieht sie als ihre Aufgabe und als sinnvoll und notwendig an - auch wenn sie es häufiger als der Durchschnitt der Hausärzte in Hessen tut.


Aber alles, was niedergelassene Ärzte auf dem Land anders machen als ihre Kollegen in Ballungsräumen und Großstädten, fällt aus dem statistischen Rahmen, ruft damit die Prüfstelle auf den Plan und ist dann mit hohen Regressforderungen gegen die Ärzte bedroht. Die Prüfer hatten statistisch ermittelt, dass die Landärztin in Hainzell zu häufig "Sterbebegleitung in der Häuslichkeit" - so der Fachbegriff - abgerechnet hatte. Was früher völlig normal war, nämlich alte kranke Menschen zuhause zu versorgen, ist mittlerweile die Ausnahme. Weil Silvia Steinebach sich nicht damit abfinden will, dass ihr durch diese und weitere absurde Reglementierungen das Berufsleben vergällt wird, hat sie gemeinsam mit über 20 Landarztkollegen bereits erreicht, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die bisherige Prüfvereinbarung zum Jahresende aufgekündigt hat und Nachbesserungen vornehmen will - ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Treffen mit KV-Vorstand und Krankenkassenvertetern

Doch in dem komplexen Prüf-System entscheidet nicht die KV allein über die Vorschriften, sondern auch die Krankenkassen wollen dadurch regeln, was und wie oft ein Arzt behandelt und verschreibt. Dr. Steinebach und ihre Mitstreiter haben deshalb das Gespräch auch mit den Krankenkassen gesucht und am Mittwoch ein Treffen im Bürgerhaus Hosenfeld initiiert.

"Um es nochmal klarzustellen: Wir Landärzte lieben unseren Job und sind auch mit unserem Gehalt zufrieden - um mehr Geld geht es hier überhaupt nicht", eröffnete Dr. Steinebach den Dialog. "In fünf Jahren wird jeder dritte Hausarzt seine Praxis schließen, dann droht ein katastrophaler Versorgungsengpass. Warum macht man uns Hausärzten das Leben so schwer, statt uns zu fördern und den Nachwuchs zu motivieren?", fragte sie. "Sollte man uns in dieser Mangelsituation nicht eher belohnen, als zu bestrafen?"

Bundespolitik gefragt

Als Vertreter der Ersatzkassen betonte Dr. Axel Kortevoß, dass der Gesetzgeber das Prüfverfahren vorschreibe und es auch nicht abgeschafft werden könne. Das Interesse an kostensenkenden Maßnahmen bei der medizinischen Versorgung und das Gebot der Wirtschaftlichkeit sei ja grundsätzlich gerechtfertigt, so der Referatsleiter für Ambulante Versorgung. Die Prüfung solle nicht generell abgeschafft werden, aber nicht nur von Juristen, sondern auch von Medizinern vorgenommen werden, stellte Dr. Steinebach klar. Selbstverständlich gebe es auch unter Ärzten schwarze Schafe wie in jedem Berufstand, das bestreite niemand. Es sollten aber Praxis-Besonderheiten erfasst und berücksichtigt werden und vor der Regressdrohung sollte zuerst eine Beratung durch die Prüfstelle erfolgen, lautete die Forderung der Ärzte.

Der stellvertretende KV-Vorsitzende Dr. Eckhard Starke will die vielfachen Anregungen der Landärzte in seine Gespräche nach Berlin mitnehmen und regte die Erstellung eines regionalen Versorgungsatlas an. Zudem wurde vorgeschlagen, Grundversorgungsleistungen wie z.B. Hausbesuche, zu stärken und aus den Prüfverfahren komplett herauszunehmen. Ad hoc-Lösungen könne niemand versprechen, aber der jetzt begonnene Dialog mit den betroffenen Hausärzten müsse dazu führen, dass das Prüfverfahren verbessert und transparenter werde. "Wir müssen eine Prüfvereinbarung kriegen, die man auch erklären kann - die jetztige kapier ich ja selber kaum". Dr. Starke appellierte an die Hausärzte auf dem Land: "Lassen Sie sich trotz aller Widrigkeiten nicht die Freude an Ihrem Beruf nehmen!"

Gefahr von Behandlungsfehlern

„Ich möchte wieder mit meinen Patienten sprechen können, sie anfassen, untersuchen und beraten. Für eine Behandlung brauche ich als Ärztin Zeit mit meinem Patienten! Aber irgendwie hat man inzwischen den Eindruck, dass vor lauter Qualitätsmanagement, Arbeitsschutzmaßnahmen, Hygiene-Richtlinien, Datenschutz-, Gebühren- und Heilmittelverordnung sowie Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimittelmedikamenten, der Patient komplett in den Hintergrund gerückt ist. Das empfinde ich als Katastrophe, es birgt die Gefahr von Behandlungsfehlern. Wenn wir als Ärzte auf diese Missstände nicht aufmerksam machen würden, dann hätten wir den Beruf verfehlt!“. (Carla Ihle-Becker)+++

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