Ungewöhnliche Kollaboration

Sting und Shaggy auf dem Domplatz: zurück zu den Wurzeln mit Karibik-Sound

Sting (links) und Shaggy rockten den Domplatz in Fulda
Fotos (18) Martin Engel

13.07.2018 / FULDA - Ein gemeinsames Konzert von Sting und Shaggy? Der eine feiert seit vier Jahrzehnten Erfolge als Pop-Rocker, der andere ist als Patois-rappendes One-Hit-Wonder der 90er-Jahre bekannt. Auf dem Fuldaer Domplatz zeigten beide am Donnerstagabend vor 8.000 Zuschauern, warum auch der Reggae nicht zur Einheit führt.


Etwas Leidensfähigkeit braucht es schon, bis die Ohren sich an das ungewöhnliche Duett auf dem Domplatz gewöhnt haben: Stings melancholische Nieselregen-Tenorstimme und Shaggys druckbetankter Sprechgesang gehen so gut zusammen wie das Symphonieorchester und die Metalband, die fürs Jubiläumsalbum gemeinsam aufspielen. Aber ja, die Wurzeln der ungleichen musikalischen Partner sind dieselben, irgendwie: Reggae, Rocksteady und Ska haben die britische Rockmusik stark beeinflusst, die Post-Punk-Formation "The Police", deren Frontmann Gordon Matthew Thomas Sumner alias "Sting" einst war, hat ihren Erfolg nicht zuletzt Reggae-Elementen zu verdanken. Der Jamaikaner Orville Richard Burrell alias "Shaggy" hat sich mit Offbeat-Charthits in den Neunzigerjahren einen Namen gemacht.

Sting hat bereits früher mit Musical, Weltmusik und Jazzpop experimentiert und eine längere Zeit in Kingston gelebt. Wie aber harmonieren der nachdenkliche, für Umweltschutz und Menschenrechte engagierte Weltbürger Sting und "Mister Lover Lover", Shaggy? Kurze Umfrage auf dem Domplatz: Haben Sie gewusst, dass Shaggy heute Abend dabei ist? Verhaltenes Lächeln – "Nein, wer ist das denn eigentlich?", "Ich dachte nicht, dass so viel Sprechgesang dabei ist", "Ich habe mich eigentlich auf 'Roxanne' und 'Englishman In New York' gefreut."

Nach Passagen bekannter Lieder Stings wie "Message in A Bottle" wirkt der schwere Sprechgesang-Kommentar Shaggys deplatziert und beinahe komisch, manche Zuhörer lachen instinktiv auf. Zu groß ist der Kontrast der beiden Charaktere, der beiden Mentalitäten und Weltanschauungen, die da zusammen auf der Bühne stehen. Stings legendäre Stimme, auch mit 66 Jahren noch mühelos hoch und klar, ohne ins Falsett zu driften, wird durch das jamaikanische Kreolisch Shaggys ebenso konterkariert wie die nostalgischen Klangteppiche der Klassiker. Die Zielgruppen könnten kaum unterschiedlicher sein: "King of Pain" beschreibt mit dichter Metaphorik seelischen Schmerz, "Oh Carolina", die Pop-Adaption Shaggys, mit machohafter Attitüde die körperlichen Attribute der Angebeteten. Aber der Reggae soll's richten: Auf dem gemeinsamen Album "44/876", dessen Lieder am Abend prominent vertreten sind, wird die bisweilen hochpolitische und religiöse Stilform zum chartkompatiblen Gute-Laune-Faktor.

Das Publikum schunkelt nach kurzer Gewöhnungsphase einfach mit. Weltstars gibt es schließlich nicht jeden Tag in Fulda. (Marius Auth) +++

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