Serie: Faszination Mythen und Sagen

Der Biedebacher "Tellerhund" als Symbol für die Last, die kommt

Der Biedebacher Tellerhund
Foto: pixabay

06.06.2018 / REGION - In der Mitte von dem Ludwigsauer Ortsteil Tann, an der Wegkreuzung nach Biedebach, gab es die bekannte und beliebte Gastwirtschaft „Zur grünen Tanne“, die viele Jahre im Besitz der Familie Hornickel war und bis 1975 von Marie Blum geborene Hornickel geführt wurde. Die Gastwirtin hat Irmgard Schmidt aus Friedlos viel über die Geschehnisse im „Besengrund“ erzählt, die Sage vom Biedebacher Tellerhund gehört dazu. Die Friedloserin, eine gefragte Ansprechpartnerin, wenn es um hessisches Brauchtum geht, hat auch diese Geschichte aufgeschrieben, um sie für weitere Generationen zu bewahren.



Die Gastwirtschaft war ein beliebter Treffpunkt für die Tanner und Gäste aus den umliegenden Ortschaften, besonders aber für viele Biedebacher Männer, die in den Hersfelder Fabriken arbeiteten und Tag für Tag auf dem Nachhauseweg nach einem kilometerlangen Fußmarsch in der Tanner Gastwirtschaft „auf einen Schnaps“ einkehrten. Bei einem Schnaps blieb es meistens nicht, denn hier traf man sich in geselliger Runde, erzählte sich Geschichten und dabei wurde ordentlich gebechert. Derweil warteten die Frauen mit den Kindern und vielen Sorgen bis spät in die Nacht auf die Heimkehrer.

Der Besengrund, der seinen Namen wegen der in früheren Jahren zahlreichen Besenbinder im Rohrbachtal bekommen hat, war früher verkehrstechnisch nicht erschlossen, hier musste jeder Weg auf „Schusters Rappen“ zurückgelegt werden. Biedebach, das kleinste Dorf, ist im Hauksgrund auf einer Anhöhe angesiedelt und nur von Tann aus erreichbar. Der 3 km lange Weg durch den Hauksgrund war steinig und sehr schmal, die Ränder waren dicht mit Hecken zugewachsen und es ging ständig bergauf. Bei Dunkelheit war der Weg gespenstisch und zum Fürchten. Wenn man auch noch alkoholisiert spät in der Nacht unterwegs war, wurde der Heimweg zum Abenteuer.

Hinter den letzten Häusern von Tann geschah es dann: Ein großer schwarzer Hund mit tellergroßen, glühenden Augen kam hinter einer Hecke hervor und sprang mehreren Heimkehrern auf den Rücken, klammerte sich fest, keuchte und knurrte schrecklich. Der Aufhocker ließ sich nicht abschütteln, die Männer mussten ihn bergauf bis zum ersten Hof in Biedebach tragen, dann sprang er ab und verschwand. Niemand außer den angetrunkenen Männern hat den "Tellerhund" jemals gesehen. Wer einmal den Aufhocker getragen hatte, trank in Zukunft weniger Schnaps, schließlich kann man einen Aufhocker als ein Symbol für die Last, die kommt, sehen: die Last des schlechten Gewissens oder auch der Anstrengung, die du machen musst, um weiter zu gehen.

Die Sage vom Biedebacher "Tellerhund" wurden von vielen Generationen weitererzählt. Der Aufhocker, auch Huckup oder Buback genannt, ist in der Mythologie ein kobaltartiger Druckgeist, der Wanderern, die nacht unterwegs sind, auf den Rücken springt und mit jedem Schritt schwerer wird. Der Wanderer ist wie gelähmt, leidet unter Beklemmung und ist unfähig, sich umzuwenden. Der Aufhocker in Tiergestalt wie Hund, Bär oder Werwolf, kommt an besonderen Spukorten oder Hohlwegen vor. Ähnliche Sagen vom Aufhocker wurden auch in anderen Orten Deutschlands erzählt.  (gs)+++

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