Markus Merk zu Gast in der Barockstadt

Über den Videobeweis, Umgang mit Schiedsrichtern und Fußball in Fulda

Der dreimalige Weltschiedsrichter Markus Merk hielt am Mittwoch einen Vortrag in Fulda
Fotos: Martin Engel

18.05.2018 / FULDA - Er ist dreimaliger Weltschiedsrichter, leitete in seiner Karriere vier Endspiele und war einer der bekanntesten deutschen Schiedsrichter: Markus Merk. Der 56-jährige Zahnmediziner aus Kaiserslautern war am Mittwochabend beim DRK-Jahresempfang in Fulda zu Gast und nahm sich für ON|Sport vor der Veranstaltung Zeit für ein Interview.


Die kürzlich abgelaufene Spielzeit in der Fußball-Bundesliga ging in die Geschichte ein. Es war die erste Saison, in der der sogenannte Video Assistent Referee (VAR) - im Volksmund nur Videobeweis genannt - eingesetzt wurde. Schon vor zehn Jahren, als Merk seine Karriere an der Pfeife beendet hatte, machte sich der Weltschiedsrichter der Jahre 2004, 2005 und 2007 für technische Hilfsmittel im Fußball stark.

Neun Jahre später, nachdem sich lange dagegen gesträubt wurde, folgte schließlich die Einführung. Zuvor setzte man mit der Torlinientechnologie bereits auf erste technische Unterstützung. „Es ist eine echte Reformation im Fußball, auch für den Fußball. Ich habe immer gesagt, dass wir es irgendwann versuchen müssen“, sagt Merk im Gespräch mit ON|Sport. Tobende Trainer, wütende Manager, fragende Blicke - der Videobeweis, vor allem dessen Umsetzung, sorgte in der Bundesliga für reichlich Konfussion. 

Merk, der auch als Experte für „Sky“ aber bleibt ein Freund des Kölner Kellers. „Ich hoffe, dass es den Fußball verbessert, ohne ihn zu sehr zu verändern. Fakt ist: jede falsche Entscheidung ist ein Stückweit eine Ungerechtigkeit. Jede falsche Entscheidung, die ich korrigiere, ist gerechter“, meint Merk, der aber zugibt, dass der VAR das Spiel ein Sückweit verändert habe. Vor allem würden den Fans und Spielern die Emotionen genommen.

„Viele sagen: „Ich jubel‘ schon gar nicht mehr, sondern warte bis zum Anstoß. Dann weiß ich, dass das Tor letztlich gezählt hat““, sagt Merk. Im März wurde der Videobeweis fest ins Regelwerk aufgenommen, auch bei der Weltmeisterschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli) wird das technische Hilfsmittel eingesetzt. Vom Videobeweis ist der Pfälzer nach wie vor überzeugt, Merk fordert aber Veränderungen.

Merk ist für ein „Challenge-Recht“

Größtes Manko sei nach wie vor, dass der Zuschauer im Stadion nicht weiß, was im Kölner Keller gesehen wurde und wovon sich der Schiedsrichter in der sogenannten „Review Area“ noch einmal ein Bild macht. „Aber der Zuschauer braucht natürlich ein Feedback“, sagt Merk und denkt beispielsweise an Piktogramme, die auf der Leinwand angezeigt werden könnten und die die finale Entscheidung den Fans erklären.

Von Wiederholungen der Szenen im Stadion hält Markus Merk hingegen nichts. Er bringt stattdessen ein „Challenge-Recht“ ins Spiel, das beiden Parteien ermögliche, strittige Situationen überprüfen zu lassen. „Das wäre in vielen Situationen einfacher und besser und würde es wahrscheinlich ein Stückweit – und darum geht’s ja immer – transparenter machen“, glaubt der ehemalige Weltschiedsrichter.

Für Aufsehen sorgte zuletzt Zweitligist Erzgebirge Aue. Der musste im letzten Saisonspiel bei Darmstadt 98 (0:1) einige krasse Fehlentscheidungen einstecken und rutschte auch deshalb auf den Abstiegs-Relegationsplatz. Aue legte Protest ein, Klub-Boss Helge Leonhardt witterte Betrug und empfahl gar, die Konten der Schiedsrichter zu überprüfen. Und Aues Stadtrat Tobias Andrä hat sogar Strafanzeige gegen Schiedsrichter Sören Storks gestellt.

„Bei diesem Spiel ist vieles schief gelaufen. Das ist fachlich und sachlich die Analyse. Das Schiedsrichter-Team hat einen ganz schlechten Tag erwischt“, sagt Merk und kann die Betroffenen - in dem Fall Aue - verstehen. „Aber nur, was die sachliche und fachliche Komponente angeht. Die menschliche, die emotionale Komponente ist natürlich unverständlich. Kein Schiedsrichter der Welt geht in ein Spiel und will Fehler produzieren und setzt seine eigene Karriere aufs Spiel“, betont Merk.

Schiedsrichter an der Basis die wahren Helden

Begleitumstände wie diese, die die Schiedsrichterei für viele so unattraktiv machen, gibt es auch im Amateur-Bereich und sorgen für schwindende Zahlen an Unparteiischen. Sich Wochenende für Wochenende beleidigen und anfeinden zu lassen, darauf haben immer weniger Leute Lust. „Deshalb müssen wir die Schiedsrichter schützen. Wo kämen wir hin, wenn jeder privat- und zivilrechtlich belangt werden würde?“, fragt Merk und betont: „Die wahren Helden im Fußball sind die Ehrenamtlichen, die 80.000, die an der Basis pfeifen. Die, die Wochenende für Wochenende überhaupt den Spielbetrieb aufrechterhalten.“

In der Barockstadt Fulda war Merk übrigens schon häufiger und wurde desöfteren von Unternehmen als Referent oder Berater gebucht. Aber was weiß der dreimalige Weltschiedsrichter über das Fußball- und Sportangebot in Fulda? „Eigentlich relativ wenig“, gibt Merk schnmunzelnd zu, „aber ich war ein paar Mal zu Läufen hier eingeladen, weil ich ein passionierter Ausdauersportler bin.“ 

Dass der Fußball in der Region aber nur in niedrigeren Klassen Zuhause ist, das aber hat Markus Merk mitbekommen. „Im Fußball krankts ja immer ein bisschen. Da hat man nie so richtig den Sprung nach oben geschafft. Aber das kann ja noch was werden. Ich komme ja auch aus einer Stadt, in der man auch einmal ganz oben war und jetzt weiter unten ist. Es kann sich alles noch entwickeln“, sagt Merk. Der 56-Jährige stammt aus Kaiserslautern. Künftig ein Drittliga-Standort. Eine Liga über dem mittelfristigen Ziel der künftigen SG Barockstadt. (Tobias Herrling) +++

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