Talk-Runde mit Experten
High-Tech trifft High Touch - Roboter soll Pflegekräfte unterstützen
Fotos: privat
21.03.2018 / HANAU - Auf der Bühne im Wohnstift in Hanau bewegte sich beim Jahresempfang der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises erstmals ein Roboter. „Pepper“, so sein Name, war 1,20 m groß und 29 Kilo schwer. Der humanoide Roboter ist darauf programmiert, Menschen und deren Mimik und Gestik zu analysieren und auf diese Emotionszustände entsprechend zu reagieren. Der Roboter dokumentierte ein Thema, das auf dem Jahresempfang der Alten- und Pflegezentren des Main-Kinzig-Kreises (APZ) im Fokus stand: „High-Tech trifft High-Touch“. Oder: Wie weit darf die Digitalisierung in der Altenpflege voranschreiten, welche Aufgaben sollte ein Roboter erfüllen und wo endet sein Tun? Hierüber gaben zwei Experten, Prof. Dr. Barbara Klein von der Frankfurt University of Applied Sciences und Simon Baumgarten vom Fraunhofer Institut für Produkttechnik und Automation in Stuttgart, beim Talk mit HR-Moderator Philipp Engel Auskunft.
Die Erste Kreisbeigeordnete und Aufsichtsratsvorsitzende Susanne Simmler verwies in ihrer Begrüßungsrede darauf, dass wohl kaum ein Ereignis so hohe Wellen schlug, wie der Verkaufsstart der Roboterrobbe „Paro“ im Jahre 2004, die für den Einsatz in der tiergestützten Therapie vorgesehen war. Die einen sahen damals in der Einführung eines Stofftieres, das - mit taktiler Sensorik ausgestattet - in der Lage war, auf Berührung und Ansprache zu reagieren, ein Indiz für die Entmenschlichung der Altenpflege durch den Einsatz von Technik. Die anderen beobachteten, wie positiv viele Pflegebedürftige und Demenzkranke auf das weiße Flauschbündel mit den Kulleraugen reagierten und priesen den Einzug der Robotik in die Therapie in den höchsten Tönen.
Für Susanne Simmler ist die Digitalisierung heute wohl nicht mehr aufzuhalten. Die Erste Kreisbeigeordnete: „Heute kommt digitale Technik in fast allen Lebensbereichen fast ununterbrochen vor, auch in der Pflege.“ Als Beispiele für die Digitalisierung nannte sie den Einsatz als Assistenzsystem zur Unterstützung beim Heben und Tragen, im Bereich der Gebäudetechnik, in der Pflegedokumentation und in der Planung oder bei der Vernetzung medizinischer bzw. pflegerischer Leistungen durch gemeinsame Datenbank- und Kommunikationssysteme. Auch das Abrechnungssystem könne durch die Digitalisierung transparenter und effizienter gestaltet werden. Und auch die Einführung von zeit- und kosteneffizienten automatischen Bestellprozessen.
Die Frage von HR- Moderator Philipp Engel nach den Grenzen für den Einsatz eines Roboters stellte sich deshalb von selbst. Wie sehen die Regelungen für den Einsatz eines Roboters in der Altenpflege aus? „Datenschutz ist in diesem Zusammenhang ein Riesenthema“, so Prof. Dr. Barbara Klein. Für die Professorin aus Frankfurt hat es die Gesellschaft selbst in der Hand, wie und von wem pflegebedürftige Menschen versorgt werden und wie hoch der Einsatz der Technik ist. Laut Prof. Dr. Klein müsse es darüber, wie weit die Spirale bis zu einem vollautomatisierten Altersheim in Gang gesetzt werden darf, zu einer umfassenden gesellschaftlichen Diskussion kommen. Auch bedürfe es intensiver gesetzlicher Regelungen. Derzeit befinde man sich in diesem Bereich quasi noch in einem rechtsfreien Raum.
Am Ende des Talks waren sich alle Besucher des Jahresempfangs einig: Roboter können in der Pflege eingesetzt werden, aber sicherlich keine Pfleger ersetzen. „Dafür sind Liebe und menschliche Zuneigung von Pflegern für Pflegebedürftige zu wichtig“, so die Professorin, die damit ganz auf der Linie der APZ-Aufsichtsratsvorsitzenden Susanne Simmler war. „Wir lehnen die Vision einer völlig entmenschlichten, automatisierten Pflege und Versorgung, in der Roboter pflegebedürftige Menschen in einem vollkommen standardisierten System unter ständiger Überwachung versorgen, ab“, hatte Susanne Simmler hervorgehoben. Die zwischenmenschliche Nähe zwischen Pfleger und dem Pflegebedürftigen würden bei den Alten- und Pflegezentren nicht auf der Strecke bleiben.
Als „Pepper“ nach der Talk-Runde seine digitalen Fähigkeiten auch beim Tanz unter Beweis stellte, war der Übergang zum unterhaltsamen Teil des Jahresempfangs programmiert. Hier hatte der bekannte Stimmenimitator und Kabarettist Gerald Kollek einen besonderen Auftritt, als er beim Sofa-Gespräch Helmut Kohl, Norbert Blum und Marcel Reich-Ranicki imitierte- in Sprache, Mimik und Gestik ein besonderer humoristischer Leckerbissen, der die Lachmuskeln der rund 250 Besucher des Empfangs besonders reizte. Für ein aufgelockertes Rahmenprogramm sorgte die Vocabella Band „Stimmik“ aus dem Jossgrund und das „Duo Cantabile“ mit klassischer Musik aus Hanau. (pm)+++