109-seitiges Gutachten
Bis 2030 benötigt Fulda über 4.500 neue Wohnungen
In der Leipziger Straße zum Beispiel besteht eine hohe Nachfrage nach Studentenwohnungen - die Hochschule ist schließlich im die Ecke
Fotos: Julius Böhm
02.03.2018 / FULDA -
4.650 zusätzliche Wohnungen werden bis 2030 in Fulda benötigt - das hat zumindest das "Institut Wohnen und Umwelt" aus Darmstadt in einem am Donnerstag vorgestellten Gutachten berechnet. Was zunächst nach viel Arbeit klingt, schockt Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld nicht: "Alleine im vergangenen Jahr wurden 393 neue Wohnungen im Stadtgebiet geschaffen. Es laufen Großprojekte, die in den kommenden fünf Jahren schon 2.500 Wohnungen möglich machen. Wir müssen die Entwicklung eher behutsam vorantreiben, damit keine Überkapazitäten entstehen."
Kleingartenanlage im Waidesgrund, Löhertor, Galgengraben und Fuldas Westen heißen die Großbaustellen, mit denen die Stadtverwaltung die merklich angespannte Wohnungssituation in den Griff bekommen möchte. Doch woher rührt dieser Zusatzbedarf eigentlich?
Schaut man in das 109-seitige Gutachten, dann ist nicht massenhafter Zuzug der Grund für den hohen Bedarf an Wohnraum. Knapp 70.000 Einwohner, also nur rund 2.000 Menschen mehr als heute, soll Fulda 2030 haben. Vielmehr die Art und Weise, wie man in zehn bis 15 Jahren wohnen wird, sorgt für einen höheren Bedarf.
Denn: In den kommenden zehn Jahren kommen die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre, die sogenannten "Baby-Boomer", ins Rentenalter. Die Zahl der Haushalte verändert sich damit drastisch, weil deren Kinder von zu Hause ausziehen und sich die Haushalte tendenziell verkleinern. Es wird also mehr (rund acht Prozent), aber dafür kleinere Haushalte geben. Das erfordert zumindest quantitativ mehr Wohnungen - in den kommenden Jahren etwa 400 neue Einheiten pro Jahr. Qualitativ verändern sich die Ansprüche mit Größe, Einrichtung und Barrierefreiheit.
"Angespannte Wohnungssituation"
Laut der Studie kommen in Fulda derzeit auf 100 benötigte Wohnungen exakt 100 existierende. "Optimal wäre ein Überangebot, ein Fluktuationspuffer, von etwa drei Prozent, um Umzüge, Sanierungen und Modernisierungen zu ermöglichen", erklärte Dr. Philipp Deschermeier, der die Studie vorstellte. "Deshalb muss man in Fulda auch von einer angespannten Wohnungssituation sprechen."
Über Vergleichsportale und weitere qualitative Größen konnte ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis von 8,50 Euro für das Stadtgebiet ermittelt werden - 80 Prozent (!) mehr als noch 2005. Im ganzen Landkreis sind die Mietpreise vor allem ab 2011 angestiegen, aber nirgends so stark wie in Fulda. Zum Vergleich: In Hünfeld stiegen die Preise im selben Zeitraum um "nur" 45 Prozent.
Die niedrigen Preise im Fuldaer Umland bezeichnete Deschermeier als "regionalen Wettbewerbsvorteil" im Vergleich zu den Ballungszentren im Rhein-Main-Gebiet, den es zu vermarkten gelte.
Genug sozialer Wohnraum
Mit 1.450 öffentlich geförderten Wohneinheiten sei der Bedarf an sozialem Wohnraum in Fulda gedeckt. Man habe sogar einen kleinen Puffer, erklärte Deschermeier. Dabei sei aber zu beachten, dass die Daten, die in dem Gutachten verarbeitet wurden, zum großen Teil aus 2015 stammen - also vor Beginn der Flüchtlingskrise. "Wir haben aber extra noch Daten aus 2016 nachgereicht, damit die Studie möglichst aktuell ist", sagte Oberbürgermeister Wingenfeld im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS.
Den Mitgliedern des Sozial- und des Bauausschuss' brannten die Fragen nur so unter den Nägeln. Wingenfeld bat die Stadtverordneten aber, das Gutachten zunächst in den Fraktionen zu besprechen: "Die heutige Sitzung gilt mehr der grundlegenden Information über die Wohnungssituation in unserer Stadt." (Julius Böhm) +++