Ringen um einen ambivalenten Charakter

Gedenkstein am Thalauer Schulhaus erinnert an Wilm Hosenfeld

Der Wilm-Hosenfeld-Gedenkstein am Schulhaus in Thalau
Fotos: Matthias Witzel

26.02.2018 / EBERSBURG - Spätestens seit Roman Polanskis Film "Der Pianist" ist die Geschichte von Wilm Hosenfeld, der 1895 in Mackenzell bei Fulda geboren wurde und 1952 in russischer Gefangenschaft starb, weltweit bekannt. Als Wehrmachtssoldat rettete er während der Wahrschauer Besatzung etlichen Juden und Polen - unter anderem auch dem Pianisten Wladyslaw Szpilman - das Leben. Ihm zu Ehren wurde am Sonntagnachmittag am Schulgebäude in Ebersburg-Thalau, wo Hosenfeld von 1927 bis 1939 als Lehrer wirkte, feierlich ein Gedenkstein enthüllt.



Es war ein zähes Ringen für die Initiative "Wilm Hosenfeld", bis die Thalauer Bevölkerung soweit war. "Der Gedenkstein war lange sehr umstritten. Denn es ist eben nicht so, dass Wilm Hosenfeld nur als eine Lichtgestalt dargestellt werden kann", erklärte Dr. Kai Witzel von der Initiative gegenüber OSTHESSEN|NEWS. "Dafür war sein Charakter viel zu ambivalent." In einem fast zweieinhalbstündigen Festakt in der Thalauer Kirche, der der Einweihung voranging, wurden in einem Dutzend Grußworten und Reden die Brüche in der Vita des Wilm Hosenfeld herausgearbeitet.

Von Hause aus streng katholisch erzogen, galt er als überaus humaner Pädagoge, dem die Kinder in Zeiten des Rohrstocks vertrauen konnten. Aber: Die Machtergreifung Adolf Hitlers wurde von Wilm Hosenfeld zunächst begeistert aufgenommen, und er trat in die NSDAP und in die SA ein. Als Besatzer in Polen trat schließlich doch wieder seine christliche Gesinnung zu Tage und er nahm sich trotz des eigenen Risikos der unterjochten Bevölkerung an. Zwei Zitate von ihm sind überliefert: "Ich versuche jeden zu retten" und "Ich sehe immer den Menschen vor mir".

Es ist unmöglich, an dieser Stelle alle Reden des Nachmittags wiederzugeben. Unterm Strich überwog die Freude über den Gedenkstein und der Respekt vor den Leistungen Wilm Hosenfelds, der zwar den großen Krieg nicht verhindern konnte, sich aber den nötigen Spielraum schuf, um im Kleinen zu wirken. Auch wurde mehrfach die Hoffnung geäußert, dass der Gedenkstein Ansporn für künftige Schülergeneration sein möge, sich rechten Tendenzen entgegenzustellen.

Am Rednerpult standen: Pfarrer Przemyslaw Kowalewski, Beate Geike, Dr. Kai Witzel und Sabine Hackspacher (Initiative "Wilm Hosenfeld"), Frederik Schmitt (Erster Kreisbeigeordneter), Stephan Schmitt (Leiter Staatliches Schulamt Fulda), Brigitte Kram (Bürgermeisterin der Gemeinde Ebersburg), Hosenfeld-Biograf Hermann Vinke, Dr. Wolfgang Hamberger (ehemaliger Fuldaer Oberbürgermeister) Hosenfeld-Tochter Dr. Jorinde Krejci samt zweier Hosenfeld-Enkel, CDU-MdB Michael Brand, Ernst Klein vom Verein "Gegen Vergessen, für Demokratie" sowie Lehrerausbilder und Autor Kurt Meyer.

Dass die Thalauer mit Wilm Hosenfeld und seiner Rolle im Dritten Reich mittlerweile im Reinen sind, hat übrigens ein Filmteam auf den Plan gerufen, das am Sonntag ebenfalls vor Ort war und eine Dokumentation darüber dreht. Dr. Kai Witzel: "Diese soll beim nächsten Filmfestival in Cannes gezeigt werden. Das Spannende daran: Es ist ein israelisches Filmteam. Und die haben ja nochmal einen ganz anderen Blick auf die Ereignisse von damals." (mw) +++

X