Chorgemeinschaft Ulrichstein
Der Kampf ist verloren: Ältester Verein stellt das Singen ein
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30.01.2018 / ULRICHSTEIN - Die Stimmen versiegen – Ist die Chorgemeinschaft Ulrichstein noch zu retten. Dieses Damoklesschwert schwebte seit einiger Zeit über dem Verein. Sängerin um Sängerin, Sänger um Sänger waren teils durch Tod, Krankheit oder aus Altersgründen der Chorgemeinschaft entschwunden. Stimmen die für die Aufrechterhaltung der Singfähigkeit dringend benötigt wurden.
Der Vorstand richtet deshalb Anfang August des Vorjahres einen dringenden Appell an alle Freunde der Chormusik, auch an die die es erst werden wollten: „Wir brauchen jede Stimme“. Unsere Zeitung berichtete darüber. Die Chorgemeinschaft 1897 Ulrichstein zählt zu den am längsten in Ulrichstein existierenden Vereine. Seit 1897 war der Chor ein fester Bestandteil am kulturellen Leben von Hessens Bergstädtchen.
Alle Appelle und Initiative zur Gewinnung aktiver Sängerinnen und Sänger halfen allerding nichts. Nur noch ein Dutzend Mitglieder waren zuletzt aktiv, so dass am Samstag im Rahmen der Jahreshauptversammlung beschlossen wurde, die Sängertätigkeit einzustellen. Alle Anwesenden bedauerten dies zutiefst, doch es gab keine Alternative dazu. Vorsitzende Christa Hofmann erinnerte in ihren Ausführungen daran, dass in der Blütezeit der Chorgemeinschaft in den 70-ziger Jahren fast 60 Sängerinnen und Sänger aktiv waren. Dies habe dann von Jahr zu Jahr abgenommen. Zur Geschichte der Chorgemeinschaft führte sie weiter aus, dass nach der Gründung des Männergesangvereins Ulrichstein in 1897 das erste große Sängerfest auf der Kälberweide vom 15. bis 17. Juni 1907 stattfand. In dem Heimatbuch „Ulrichstein Burg und Stadt“ von Ehrenbürgermeister Reinhard Thomas sen. stehe, dass bei diesem Fest neben einem Festzug am Tage, auch ein Fackelzug stattfand. Erste Sängertätigkeiten soll es in Hessens Bergstädtchen allerdings schon 1861 bei der Einweihung der neuen Kirche gegeben haben.
Zu Beginn der Veranstaltung im Vereinsraum im Innovationszentrum hatte Schriftführerin Lieselotte Semmler, wie sie abschließend bedauerte, ihren letzten Bericht über die Jahresereignisse 2017 vorgetragen. Auch diesmal war der dreizehnseitige Bericht wieder mit teilweise lustigen Begebenheiten des Vorjahres gespickt und erhielt viel Beifall „Schade, dass das Singen eingestellt wird“, bedauerte Bürgermeister Edwin Schneider in seinem Grußwort. Mit dem „Chorsterben“ in vielen Regionen gehe allerdings auch der Verlust des schönen, guten, alten deutschen Liedguts weiter. Dank sagte er für die unzähligen Auftritte der Chorgemeinschaft bei Veranstaltungen der Stadt und der Vereine insgesamt. Mit der Einstellung des Sängerbetriebes gehe der Stadt ein wichtiger Kulturträger verloren. Danke sagte er auch für die Spenden der Chorgemeinschaft an den Kindergarten und die Schlossbergschule, sowie für die Überlassung der Bühne: „Wir werden sie in Ehren halten“. Schneider sprach abschließend die Hoffnung aus, dass es vielleicht beim 125-jährigen Jubiläum der Chorgemeinschaft in vier Jahren wieder mit der Sängertätigkeit weitergehen könne.
Mit dem Lied „Als Freunde kamen wir. Als Freunde kamen wir, als Freunde gehen wir. Ein solches Wort zum Abschied macht alles halb so schwer“, wurde dann die Sängertätigkeit zunächst offiziell eingestellt. (gr) +++