Jahresauftaktveranstaltung
Ex-Landrat Fritz Kramer: "Kämpfen Sie, damit Demokratie eine Perle bleibt“
Bürgermeister Manfred Helfrich (v.li.n.re.) mit den neuen Trägern der Von-Steinrück-Medaille Johannes Neuwirth und Helmut Sapper, Festredner und Landrat a.D. Fritz Kramer sowie Frank Unger, dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung
Fotos: Christian P. Stadtfeld
18.01.2018 / POPPENHAUSEN (Waku) -
Trotz Wintereinbruch in der Rhön mit schneebedeckter Fahrbahn und Glätte war auf dem traditionellen 18. Neujahrsempfang der Gemeinde Poppenhausen (Kreis Fulda) viel los. Rund 250 Gäste, darunter viele Politiker und Vertreter aus Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft, begrüßte Frank Unger, Vorsitzender der Gemeindevertretung, im vollbesetzten Von-Steinrück-Haus.
Von einem „ereignisreichen Jahr 2017“ berichtete Bürgermeister Manfred Helfrich (CDU) am Mittwochabend. Seine Themen: das Ehrenamt, der schleichende Werteverfall und die Flüchtlingsfrage. „Wir sind stolz auf unsere Ehrenamtlichen in Feuerwehren, Sport und Kultur - und diejenigen, die sich für unseren Luftkurort an der Wasserkuppe einsetzen“, machte der Rathauschef deutlich. Ein weiteres Lob gab es für wirtschaftliche Entwicklung, das Handwerk aufgrund voller Auftragsbücher und die hohe Lebensqualität in der Region Fulda/Rhön. Kritisch gesehenen werde, dass es keine stabile Regierung in Berlin gebe.
Ein heikles Thema für die neue Regierung ist und bleibt die Flüchtlingsfrage. Nicht nur die Politiker, sondern auch die Bürger befürchten hier große Probleme“, sagte Helfrich. „Wer in unser Land einreist, hier aufgenommen wird, der muss eine Identität haben und diese nachweisen können. Und wer als Ausländer – aus welchem Grund auch immer – in Deutschland lebt, der hat sich an Recht und Gesetz zu halten. Dies gerade vor dem Hintergrund, wenn er Schutz und staatliche Leistungen erhält.“ In der Praxis sähe dies leider anders aus. „Die Gewaltdelikte durch Zuwanderer sind dramatisch gestiegen. Immer mehr Flüchtlinge fallen den Untersuchungen zufolge als Verdächtige auf. Asylbewerber haben schnell gelernt, dass man sich in Deutschland einiges zu Schulden kommen lassen kann, ohne dass ernste Konsequenzen drohen. Der Rechtsstaat stößt hier an seine Grenzen.“
Ein weiteres Problem, so sagte Helfrich, seien erwachsene Asylsuchende, die gegen die Wahrheit bewusst ein jugendliches Alter angeben würden, in Wahrheit aber über 18 Jahren alt sei. In Poppenhausen, so erklärte Helfrich, hätte man hingegen wesentlich bessere Erfahrungen mit „unbegleiteten jugendlichen Ausländern“ gemacht. „Wir schauen zurück auf ein Jahr ohne Zwischenfälle und ohne eingetretene Befürchtungen der Bevölkerung.“
Auch zum Thema von Gemeindefusionen hat der Bürgermeister klare Vorstellungen: „Derzeit gibt es in der Rhön ernsthafte Überlegungen, einer interkommunalen Zusammenarbeit in Form einer Verwaltungsgemeinschaft oder gar einer Fusion. Für die Gemeinde Poppenhausen bietet sich derzeit weder aus strukturellen noch aus topographischen Gründen eine Änderung der Gebietskulisse und der Verwaltungsstruktur an. Daher wollen wir zumindest mittelfristig unsere Identität behalten.“ Des Weiteren stellte Helfrich den Fahrplan für 2018 vor: Neben einem vollen Veranstaltungskalender seien eine Vielzahl an Märkten und weiteren Events geplant. Außerdem sei geplant, die Breitbandversorgung bis Ende 2018 fertiggestellt zu haben.
Im Anschluss wurden Johannes Neuwirth und Helmut Sapper mit der „Von-Steinrück-Medaille“ für ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten geehrt. „Die Verdienste von Johannes Neuwirth und Helmut Sapper für das Gemeinwohl sind vielseitig.“
Eine brillante Rede hielt an diesem Abend der ehemalige Landrat des Landkreises Fulda, Fritz Kramer zum Thema „Macht unsere Demokratie zu Eurer Herzensache“. Kramer, der seit 48 Jahren als Politiker aktiv ist, erklärte: „Politik hat eine teuflische Eigenschaft, denn Politik regelt, wie Gesellschaft funktioniert - und deshalb ist sie für uns alle unverzichtbar.“ Der 79-Jährige weiter: „Was ist bei unserem Motor ‚Demokratie‘ nicht im Lot? Desinteresse und Verdrossenheit stehen vor Wertschätzung und Interesse der Bevölkerung.“
Die Wahlbeteiligung in Deutschland erlebe gewisse Schwankungen - die Tendenz gehe dahin, dass sie immer geringer würde. „Wären die Nichtwähler zur Wahl gegangen, dann wären sie heute die zweitstärkste Fraktion des Deutschen Bundestags.“ Demokratie und Wahlrecht seien nicht vom Himmel gefallen, so der ehemalige Landrat und „Von-Steinrück-Medaillen-Preisträger Kramer. „Unsere Vorfahren haben sie hart erkämpft. Es ist nicht überall so. Wir dürfen unserer Bürgerrechte nicht wegwerfen. Ein Vergleich zwischen Demokratie und Gesundheit: Wenn sie uns genommen werden, wissen wir, was uns fehlt.“
Politik sei ein schmutziges Geschäft. „Wer diesen Satz in den Mund nimmt, behauptet von sich, dass er sauber ist - und das ist Heuchelei.“ Die Demokratie sei ein unvergleichbares Gütesiegel. „Wenn wir spüren, dass Demokratie verblasst und sich Gleichgültigkeit breit macht, muss etwas passieren.“ Demokratie sei eine Einladung an jedem Bürger, etwas zu tun, sagte Kramer. „Ich will Ihnen nicht vorschreiben, Parteimitglied zu werden oder sich in einer Bürgerinitiative zu engagieren. Aber: mischen Sie sich ein, wenn unsere Demokratie am Stammtisch oder am Arbeitsplatz verachtet wird.“ Deutschland, so ist sich der ehemalige Landrat sicher, gehe es so gut wie nie zuvor. „Kämpfen Sie für unser Land und dass die Demokratie eine Perle bleibt. Wir müssen Sie schätzen und verteidigen.“ (cps/mr) +++