"Grabstein ist geschmacklos"
Europaminister Michael Roth zum SPD-Streit um neue GroKo-Beteiligung
Fotomontage
16.01.2018 / REGION -
Die deutsche Sozialdemokratie befindet sich nach Abschluss der Sondierungsgespräche zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU in einer fühlbaren Zwickmühle: ein Teil der Genossen fühlt sich an das Wahlergebnis und die Aussage führender Sozialdemokraten wie Martin Schulz gleich nach der Wahlschlappe vom 24. September gebunden, die die Rolle der SPD für die nächste Legislaturperiode eindeutig auf den Bänken der Opposition festgeschrieben hat. Nur so könne der not-wendige Genesungs- und Regenerierungsprozess der Partei gelingen. Eine erneute Regierungsbeteiligung an einer Großen Koalition sei politischer Selbstmord, ist dieser - zahlenmäßig nicht zu beziffernde Teil der Genossen - fest überzeugt.
Ganz anders argumentieren die roten Befürworter einer Neuaufllage der GroKo: da ist viel von Verantwortung und einer moralischen Verpflichtung für das Land die Rede und natürlich auch von der damit verbunden Chance, trotz der Wahlniederlage sozialdemokratische Inhalte umzusetzen. Beide Lager halten die eigene Poisition und Argumente für "alternativlos", nur ganz wenige Genossen scheinen in dieser Debatte ihren Standpunkt noch zu suchen. Stattdessen sind die Positionen festgezurrt und stehen einander unversöhnlich gegenüber.
Der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete (Wahlkreis Hersfeld-Rotenburg/Werra-Meißner-Kreis) und amtierende Staatsminister für Europa Michael Roth hat seine Argumente für eine Aufnahme der Koalitionsverhandlungen und die Fortsetzung der GroKo bereits am Freitag deutlich artikuliert: "Heute Morgen sind die Sondierungen zwischen SPD, CDU und CSU zuende gegangen. Nach nur sechs Tagen haben wir ein Ergebnis erzielt, das viele sozialdemokratische Forderungen enthält. Insbesondere das Kapitel zur Europapolitik überzeugt mich. Deutschland ist europapolitisch zurück auf dem Spielfeld. Endlich! Und zwar an der Seite Frankreichs. Wir wollen Europa stärken und besser machen: durch einen Sozialpakt, die Bekämpfung von Steuerdumping, die Stärkung der Eurozone und eine bessere Finanzausstattung der EU. Auch in den Bereichen Bildung, Arbeit und Soziales findet sich vieles, was mich überzeugt hat. Ich habe deshalb im Parteivorstand für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen gestimmt."
Dass die Debatte für oder gegen eine Regierungsbeteiligung der Genossen aber noch nicht entschieden, dafür aber geradezu erbittert darum gestritten wird, zeigt das Foto eines Grabsteins, auf dem symbolisch das letzte bisschen Würde der SPD zu Grabe getragen wurde, das von GroKo-Gegnern in Umlauf gebracht wurde.
Michael Roth äußert sich zu diesem Bild wie folgt: "Eine Bitte habe ich noch: ein bisschen weniger Häme, Aggression und Selbstgerechtigkeit fände ich so von Sozi zu Sozi schon angemessen. Ich spreche jedenfalls keinem SPD-Mitglied ab, dass es ihm oder ihr um die Zukunft unserer Partei geht. Insofern finde ich Grabsteine nicht lustig, sondern einfach nur geschmacklos." Dass dieser Appell hilft, den Ton der Auseindersetzung innerhalb der deutschen Sozialdemokraten zu versachlichen, wird vermutlich ein Wunschdenken bleiben. (Carla Ihle-Becker)+++
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