Jahresauftakt VR Genossenschaftsbank Fulda

Mental-Akrobatik und Ringelpiez als Überlebenstraining für den Business-Alltag

Gedächtnis-Experte Markus Hofmann
Fotos: Marius Auth

05.01.2018 / KÜNZELL - Gedächtnistechniken, mit denen sich in kurzer Zeit erstaunliche Informationsmengen abspeichern lassen, sind seit der Antike bekannt. Im Künzeller Gemeindezentrum präsentierte Gedächtnis-Experte Markus Hofmann am Donnerstagabend beim Jahresauftakt der VR Genossenschaftsbank Fulda vor rund 800 Gästen sein „mentales Überlebenstraining“, mit dem durch akrobatische Einlagen Alltag und Berufsleben bereichert werden können.



Mit seinem Bestseller „Digitale Demenz“ rüttelte der Neurobiologe Manfred Spitzer vor wenigen Jahren die Öffentlichkeit auf: Digitale Medien ließen das Sozialverhalten verkümmern und förderten gar Depressionen. Hofmann stößt ins selbe Horn: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen – aber eines, der mit Bildern und Sinnesreizen auf charmante Art und Weise geleitet wird. Die Methode, mentale Routen durch reale Orte zu führen und an bedeutungsvollen Plätzen Gedächtnisinhalte abzulegen, ist uralt und wurde unter anderem durch den Jesuiten-Priester Matteo Ricci popularisiert, der seinen „Gedächtnispalast“ im 16. Jahrhundert benutzte, um die schwer zu lernenden chinesischen Ideogramme zu verinnerlichen. Die zu bekehrenden Chinesen waren beeindruckt – die für Ricci allem zugrundeliegende christliche Theologie wurde jedoch nur skeptisch beäugt.

 Ein ähnliches Schicksal ist der Mnemotechnik in der Öffentlichkeit widerfahren: Gedächtnisakrobaten beeindrucken regelmäßig bei Meisterschaften mit verblüffenden Leistungen, die durch Gedächtnistechniken erklärt werden – allein der wissenschaftliche Nachweis für die verbesserte Lernleistung konnte nie erbracht werden. Der Transfer des zuvor Gelernten auf einen Lernstoff gleicher Komplexität ist laut einer groß angelegten Studie der Fachzeitschrift „Nature“ nicht gegeben.

Als unterhaltsame Showeinlage taugt das „mentale Überlebenstraining“, wie Hofmann sein Programm martialisch nennt, aber allemal: Im vollbesetzten Gemeindezentrum fassen sich wildfremde Menschen gegenseitig an die Körperteile, um für das Auswendiglernen von Telefonnummern im harten Business-Alltag gewappnet zu sein. Hofmann stakst demonstrativ durch die Halle, nimmt Pfosten, Tisch und Gang in die Pflicht, um schlummernde Geistespotenziale wach zu kitzeln, um abschließend, nur halb im Scherz, die Pointe zu verkünden: „Es geht auch ohne Gehirn!“


 Das Ganze wird angereichert durch populärwissenschaftliche Theorien wie dem inzwischen überholten Hemisphärenmodell, nach dem das Zusammenspiel beider Gehirnhälften nur ordentlich harmonisiert werden müsse, um zum ganzheitlichen Bewusstsein zu gelangen. Jeder, so die Botschaft, kann zum Mentalmeister werden, wenn nur die richtigen Methoden benutzt werden. Ob nicht echtes Interesse und strukturiertes Erarbeiten komplexer Lernstoffe auch, wenn nicht gar besser, zum Erfolg führt, diese Frage bleibt am Abend unbeantwortet. Lieber fassen sich die Probanden aus Wirtschaft, Politik und Bürgerschaft an Nase, Kopf und Knie, um zum "neuen Denken" (Hofmann) zu gelangen. (Marius Auth) +++

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