O|N-Gastbeitrag der Wächterpreisträgerin

Ausstellung: Tochter Barbara erinnert an die Künstlerin Margarete Schönherr

Die junge Margarete Schönherr
Fotos: privat

23.11.2017 / GROßENLÜDER - Es ist etwas über ein Jahr her, dass die aus Großenlüder-Müs (Kreis Fulda) stammende Künstlerin Margarete Schönherr im Alter von 83 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Der ganze Ort und die hiesige Kunstszene standen damals unter Schock. Margarete Schönherr war jahrzehntelang im Kunstverein Fulda aktiv, sie pflegte ihre Leidenschaft - die Aquatinta-Farbradierung - in der Druckwerkstatt der VHS des Landkreises, und als studierte Kunstpädagogin leitete sie 25 Jahre eine Malgruppe in der JVA Fulda. Später kam noch eine weitere Gruppe im Seniorenheim St. Josef dazu, mit deren Kunstwerken sie viele Ausstellungen organisierte.



Am kommenden Totensonntag ist Margarete Schönherr im Bürgerhaus von Großenlüder um 15 Uhr eine Ausstellung gewidmet, deren Vernissage mit einem von Tochter Barbara (51) produzierten Film eröffnet wird (siehe Zusatzkasten). Barbara Schönherr ist Fernsehjournalistin in Berlin, arbeitet als Autorin für den RBB und als Produzentin für die Sender n-tv und Vox und wurde 2012 mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse geehrt. OSTHESSEN|NEWS veröffentlicht im Folgenden einen Gastbeitrag von Barbara Schönherr, in dem sie den Verlust der Mutter ganz persönlich reflektiert:

„Eine Kreuzung in einem Dorf. Drei Sekunden, ein Knall, ein Aufprall - meine Mutter, tot. Die Kreuzung, auf der ich als Kind mit dem Fahrrad den direkten Weg in die Dorfmitte nahm. Die Kreuzung, an der neun Jahre lang der Schulbus vorbeifuhr, der uns Landkinder nach Fulda brachte.

Als ich auf dem Weg in die Leichenhalle bin, zieht mein eigenes Leben wie ein Film an mir vorüber. Es ist wehmütig, aber nicht unangenehm. Es ist sogar fast schön: Die Fülle einer Kindheit, die meine Mutter maßgeblich geprägt hat. Wie viel verdanke ich ihr von dem, was das Leben so schön für mich macht.

Sie sieht aus, als würde sie schlafen. Die Liebe fließt ungehindert zwischen uns. Im Krankenhaus wartet ein traumatisierter Vater. Nun sind wir ohne sie. Eine Beerdigung muss organisiert werden. Dann kehren wir in unsere Leben zurück. Mein Vater in eines ohne seine Frau, ich in eines in Berlin, wo ich regelmäßig vergesse, dass meine Mutter überhaupt tot ist. Ich möchte ihr etwas erzählen und tue es - trotzdem.

Der Tod ist ein großes Tabu. Das bekomme ich jetzt andauernd zu spüren. Es gibt Leute, die regelrecht zurückschrecken vor diesem Thema. Dabei betrifft es uns doch alle. Eine praktizierende Psychotherapeutin rügt mich, weil ich mit der Todesnachricht meiner Mutter einer gemeinsamen Bekannten einen lauen Sommerabend verderbe. Mich macht das irgendwie wütend. Ist der Tod etwas Peinliches? Darf man da nicht drüber reden? Und wovor genau haben die Angst?

Ich kann von mir sagen, dass ich meinen eigenen Tod nicht wirklich fürchte. Klar, man kann sich irren, ich stehe dann doch nicht auf einer provencealischen Sommerwiese und falle meiner Mutter um den Hals. Trotzdem habe ich das Gefühl, es könnte genauso kommen. Wäre doch wunderbar.

Es ist übrigens jetzt schon wunderbar. Seit ich die Arbeiten meiner Mutter sortiert, katalogisiert und gerahmt habe, befinde ich mich in einer neuen mir bis dahin unbekannten Dimension. Es fühlt sich unglaublich leicht an. Die Farben, die Formen, das Licht, die Schatten, sie tragen mich in eine traumhafte Welt, in der alles richtig zu sein scheint. Wenn die Bilder meiner Mutter auf meinem großen Bildschirm erscheinen, auf dem ich einen Film über die Künstlerin Margarete Schönherr schneide, dann tauche ich hinab in diese Welt wie in einen großen wohltuenden Swimmingpool.

Es war die Idee des Bürgermeisters von Großenlüder, Werner Dietrich, eine Ausstellung mit den Bildern von Margarete Schönherr zu organisieren. Ich schlug vor, begleitend den Film über die Künstlerin zu machen. Beides ist uns gelungen. Am 26.11.2017 wird diese Ausstellung mit dem Titel „Die fabelhafte Welt meiner Mutter“ eröffnet. Der gleichnamige 30-minütige Film wird zu Beginn der Vernissage gezeigt. Es gibt ein Wiedersehen mit Margarete Schönherr in Bild und Ton aus ihrem letzten Urlaub in der Provence. ,Der Film soll Lust machen auf die Welt der Kunst, die noch viel mehr sein kann als nur Betrachtung. Es ist immer ein Dialog mit sich selbst und der Welt', wie Werner Dietrich es so treffend im Film sagt." - Die Öffnungszeiten der Ausstellung im Lüderhaus: Montag (27.11.) bis Freitag (1.12.) von 18 bis 20 Uhr, Samstag (2.12.) von 16 bis 18 Uhr sowie Sonntag (3.12.) von 15 bis 17 Uhr. Danach wandert die Schau ins Café Prüfer in Großenlüder. (Barbara Schönherr/mw) +++

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