Tante Friedas Mädchenjahre im Pfarrhaus

Die Witzel-Sippe hat ein Buch mit Lebenserinnerungen herausgebracht

Erster Blick aufs Buch: Tante Frieda (2. v. r) um 1938 mit Kolleginnen
Fotos: Matthias Schwab

14.11.2017 / REGION - In Deutschland gibt es 1.653 Telefonbucheinträge zum Namen Witzel und damit etwa 4.408 Personen mit diesem Namen. Diese leben in 269 Städten und Landkreisen. Die meisten Anschlüsse sind in Fulda und im Landkreis Fulda gemeldet, nämlich 142. Die Witzels im Landkreis Fulda teilen sich auf in eine größere Namensansammlung im Südkreis und eine große Witzel-Verwandtschaft im Altkreis Hünfeld. Die Mitglieder dieser Hünfelder Sippe treffen sich regelmäßig. Bei immerhin 26 noch lebenden Cousins und Cousinen kommt da mit Anhang und Nachwuchs einiges zusammen.

Und so ist es nicht mal ein Jahr her, dass beim letzten Sippen-Treffen aus den handschriftlich verfassten Lebenserinnerungen einer verstorbenen Tante vorgelesen wurde und spontan die Idee entstand, daraus ein Buch zu machen. Ein Buch, das zu großen Teilen auch die Geschichte und Geschichten der Familie Witzel transportieren und das auch den Kindern einen Einblick in die Zeit ihrer Eltern und Großeltern gewähren sollte. Jetzt liegt die Publikation druckfrisch vor und die familieninterne Redaktion nahm bei der Firma Hoehl-Druck Medien + Service GmbH aus den Händen vom geschäftsführenden Gesellschafter Markus Gutberlet in Bad Hersfeld die ersten 300 Exemplare entgegen.


 Dass die kleine unscheinbar gebundene Kladde mit den grünen Ecken einen wahren Schatz an Familiengeschichte bergen würde, konnte so niemand erwarten. Aber schnell war klar: Diese fast hundert Seiten, eng beschrieben in einer Art Mischung aus Schreib- und Sütterlin-Schrift würden den Nachgeborenen einen neuen und unverstellten Blick auf die bewegte Geschichte der Familie möglich machen.

 Die schnell entstandene Idee, aus all diesen Ingredienzen ein Buch zu machen, war das eine, die Umsetzung hingegen Neuland. Jeder kennt Bücher, in denen Menschen ihr Leben aufgezeichnet haben. Meist hat dann ein Lektor handschriftliche Texte sprachlich geglättet, um sie vielleicht lesbarer zu machen und meist liest sich dann so ein Text leicht und flüssig. Die ursprüngliche Sprache geht aber möglicherweise verloren oder wird verdeckt. Deswegen und aus Gründen der Authentizität, aber auch um die „Fleißarbeit“ der Autorin darzustellen, hatten sich die Buch-Macher entschlossen, jeweils eine Seite in Handschrift abzubilden und die entsprechende Reinschrift direkt auf der Seite gegenüber. Das, so die Überlegung, würde Nähe und Vertrautheit schaffen und auch ungeübten Handschrift-Lesern einen Zugang zu den Texten ermöglichen. Auf dem verbleibenden Platz der „Druckschriftseite“ sollten dann kleine Anekdoten aus der Vergangenheit stehen.

Über den Sprachgelehrten Großonkel Pater Maurus Witzel beispielsweise, der eigentlich Adalbert hieß und als Professor am Germanicum in Rom lehrte. Oder über Großonkel Nikolaus Witzel, lange Jahre Dechant in Schwarzbach. Oder viele andere kleine Geschichten und Anekdoten aus der Gegend um Soisdorf, Treischfeld und Großentaft, dem Stammland der Witzels. Und die Buch-Macher haben das Werk mit alten Bildern illustriert - Originalfotos von der Primiz eines Onkels in Soisdorf, Bilder von den Großeltern Witzel mit deren Söhnen Maurus, Nikolaus und Theophilus. Weltkriegspostkarten von Großvater Josef Witzel und andere Aufnahmen, die man mit Fug und Recht als Zeugnisse der Witzel‘schen Zeit-Geschichte bezeichnen darf.

„Der Text ist ein Spiegel des Landlebens in den 20er und 30ern des vergangenen Jahrhunderts und ist insofern auch ein Exkurs ins Innere, in die Keimzelle der Familie Witzel, wie wir sie heute noch kennen, unsere Kinder aber schon nicht mehr. Der Alltag in dieser Zeit auf dem Lande, auch das wird beim Lesen der Aufzeichnungen klar, war geprägt von bäuerlichem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein und einem aufrichtigem, fast fanatischen Glauben. Ein Umstand, der es im Übrigen den Nationalsozialisten in den Dreißigern und Vierzigern des vergangenen Jahrhunderts schwer bis fast unmöglich machte, in den bäuerlichen Regionen des Altkreises Hünfeld Fuß zu fassen und ihre menschenverachtende Ideologie zu verbreiten“ schreibt Thomas Witzel aus Petersberg, der die Konzeption für das Buch erarbeitet hatte, im Vorwort. Der 67-jährige Journalist und langjährige Redakteur der Frankfurter Rundschau konnte seine Berufserfahrung bei der Umsetzung der Buchidee einbringen. Unterstützt von der sechsköpfigen Familien-Redaktion hatte man noch im November 2016 damit begonnen, Material zu sichten.

Bilder und alte Urkunden lagen bei den insgesamt sechs Redaktionskonferenzen auf dem Tisch. Wichtig: Die insgesamt 97 Handschrift-Seiten mussten von den Redaktionsmitgliedern in Druckschrift erfasst werden, um sie digital nutzen zu können. Und die Handschrift-Seiten mussten ebenso wie die gut 50 Bilder gescannt und reproduziert werden. Um hier Kosten zu sparen, hatten das die Redaktionsmitglieder selbst gemacht. Eine kurze Einweisung in der Druckerei und es konnte losgehen.

Wichtigste Voraussetzung: die solide Finanzierung. Einiges an Überzeugungsarbeit war in den Gesprächen mit potentiellen Geldgebern nötig. Am Ende stand die gute Nachricht: Vier Sponsoren aus der Familie hatten sich bereit erklärt, die Druck- und Herstellungskosten vorzufinanzieren. Jetzt wird das Buch mit dem romantischen Titel „Mädchenjahre im Pfarrhaus“ bei einem Sippentreffen der gesamten Familie vorgestellt und dann hoffen die Macher auf rege Nachfrage: Mit 200 verkauften Exemplaren wären die Druck- und Herstellungskosten wieder eingespielt. Die Texte aus der Feder von „Tante Frieda“ werden im Anhang übrigens ergänzt durch eine überarbeitete wissenschaftliche Abhandlung über den „Kirschners-Hof“, den Stammhof der Witzels in Soisdorf - von Professor Dr. Peter anlässlich der Eheschließung von Cousin Martin Witzel im Jahre 1984 verfasst.

  Außerdem geht ein aktueller Aufsatz der alten Frage nach, ob der Kirchengelehrte, Theologe und zeitweilige Luther-Mitstreiter Georgius Wicelius, der 1501 in Vacha geboren wurde, ein Urahn der Familie Witzel ist. Sein Bild hängt auf jeden Fall schon in einigen Wohnzimmern der Familie. Und: Ein Stammbaum der Familie Witzel, der bis ins Jahr 1604 zurückreicht, gehört auch dazu. Weitere Informationen unter twitzel@t-online.de  (Thomas Witzel)+++

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