Streit um Windanlagen-Verfahren

Keine Befangenheit der ehrenamtlichen Richter: Gericht lehnt Antrag ab


Symbolbild O|N

08.11.2017 / KASSEL / EITERFELD - Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Kassel hat durch Beschlüsse vom 07.11.2017 in zwei Klageverfahren der Oktoberwind GmbH Ablehnungsgesuche wegen Befangenheit von Richtern abgelehnt. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde, so das Verwaltungsericht in einer Pressemitteilung:

Die Oktoberwind GmbH, deren Unternehmenszweck die Planung, Errichtung, Verwaltung und der Betrieb von Windenergieanlagen ist, stellte im Jahr 2013 einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage im Gebiet der Gemeinde Eiterfeld und im Jahr 2014 einen ebensolchen Antrag im Hinblick auf eine geplante Anlage im Gebiet der Gemeinde Flieden. Die Genehmigungen wurden durch das Regierungspräsidium Kassel durch zwei gesonderte Bescheide abgelehnt.



Mit seinen beiden Klagen will der Kläger die Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen gerichtlich durchsetzen. Die für Immissionsschutzrecht zuständige 7. Kammer des Verwaltungsgerichts hat die beiden Verfahren am 25.10.2017 mündlich verhandelt, und zwar - wie nach der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehen – in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern. Am Ende des Sitzungstages wies die Kammer beide Klagen ab. In der Folgezeit reichte der Geschäftsführer der Klägerin zunächst gegen die beiden ehrenamtlichen Richter gerichtete Ablehnungsgesuche ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, durch Recherchen im Internet erfahren zu haben, dass der ehrenamtliche Richter öffentlich als notorischer Windkraftgegner in Erscheinung getreten sei und die ehrenamtliche Richterin Mitglied im Vorstand eines Konkurrenzunternehmens sei.

Darauffolgend wurde ein gegen alle Richter der 7. Kammer gerichtetes Ablehnungsgesuch bei Gericht eingereicht mit der Begründung, der ehrenamtliche Richter habe in einem Beitrag der Hessenschau gesagt, die Kammer habe ihn wie auch die ehrenamtliche Richterin bewusst ausgewählt. Ein verständiger Bürger müsse daher davon ausgehen, dass ganz bewusst Konkurrenten und Windkraftgegner auf Richterbänke installiert würden und dies den Berufsrichtern der 7. Kammer nicht verborgen geblieben sein könne.

Da die 7. Kammer aus insgesamt vier Berufsrichtern besteht, hat der an der mündlichen Verhandlung nicht beteiligte vierte Richter zunächst angefragt, ob sich der Befangenheitsantrag auch auf ihn beziehe. Der Geschäftsführer der Klägerin hat darauf mitgeteilt, dass sich der Antrag nur auf die an der mündlichen Verhandlung beteiligten Richter
beziehe und gegen seine Mitwirkung an der Entscheidung über die Befangenheitsanträge keine Bedenken bestünden. Die 7. Kammer hat sodann unter Heranziehung von Richtern der sogenannten Vertreterkammer die Befangenheitsanträge als unzulässig abgelehnt. Denn ein Richter könne nach Beendigung des Verfahrens - hier durch die nicht mehr abänderbaren Urteile vom 25.10.2017 - nicht mehr wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, weil der Zweck des Befangenheitsantrags, nämlich die Verhinderung der Mitwirkung des betreffenden Richters an einer Sachentscheidung, nicht mehr erreicht werden könne.

Ergänzend ist hierzu Folgendes anzumerken:

Gemäß § 173 Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 318 Zivilprozessordnung ist das Gericht „an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End% und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden“. Durch die Bekanntgabe des Urteilstenors – hier in der mündlichen Verhandlung am 25.10.2017 – tritt diese Bindungswirkung ein (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, zuletzt Beschluss vom 07.03.2017, Az.: 6 B 53/16).

Es besteht zudem angesichts der Begründung der Befangenheitsanträge und der dazu erfolgten Fernsehberichterstattung noch Anlass, das Verfahren der Berufung ehrenamtlicher Richter und deren Heranziehung zu Sitzungen nach der Verwaltungsgerichtsordnung darzulegen:

Die Kreise und kreisfreien Städte stellen Vorschlagslisten für ehrenamtliche Richter auf. Aus diesen Vorschlagslisten heraus werden die ehrenamtlichen Richter gewählt. Die Wahl erfolgt durch einen Wahlausschuss. Dieser Wahlausschuss besteht aus dem Präsidenten des jeweiligen Gerichts, einem von der Landesregierung bestimmten Verwaltungsbeamten sowie aus sogenannten Vertrauensleuten, die aus den Einwohnern des Verwaltungsgerichtsbezirks vom Landtag gewählt werden. Die Wahl der ehrenamtlichen Richter setzt eine Mehrheit von zwei Dritteln der Ausschussmitglieder voraus. Nach erfolgter Wahl bestimmt das Präsidium des Gerichts, das u.a. über die personelle Besetzung der einzelnen Kammern entscheidet, über die Reihenfolge, in der die ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen heranzuziehen sind. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts werden die ehrenamtlichen Richter den Kammern des Gerichts zugeteilt, und zwar durch Erstellung von Listen der ehrenamtlichen Richter.

Die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgt in der Reihenfolge, in der diese in den Listen aufgeführt werden (sogenanntes Zufallsprinzip). Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung erfolgt durch den Kammervorsitzenden, die Ladung der ehrenamtlichen Richter und somit deren Heranziehung hingegen durch die Geschäftsstelle in eigener Verantwortung. Soweit ein ehrenamtlicher Richter herangezogen wird, bei dem die Besorgnis der Befangenheit bestehen könnte, ist der betreffende Richter gemäß § 48 Zivilprozessordnung verpflichtet, den möglichen Befangenheitsgrund dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Eine solche Anzeige verfolgt den Zweck, das Gericht überhaupt erst von einer möglichen Befangenheit in Kenntnis zu setzen, um sodann nach den gesetzlichen Vorgaben reagieren zu können und auch den Verfahrensbeteiligten die Stellung eines Befangenheitsantrags zu ermöglichen. Vom Vorliegen einer Rechtsbeugung und eines Justizskandals kann daher nicht die Rede sein. (pm) +++

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