Betreibt Verwaltungsgericht Klimapolitik?

Befangenheitsantrag gegen zwei ehrenamtliche Richter gestellt


Symbolbild

03.11.2017 / REGION FD - Ehrenamtliche Richter an Verwaltungsgerichten , die in Strafprozessen Schöffen genannt werden, müssen ebenso neutral sein wie Berufsrichter. Zudem erklären sie vor jedem Verfahren schriftlich ihre Unbefangenheit. Beim Verwaltungsgericht Kassel klappt das nach Meinung eines Betroffenen nicht so ganz: In einem Verfahren um die Genehmigung von Windkraftanlagen sei die eine ehrenamtliche Richterin im Vorstand eines Konkurrenten des Klägers. Der andere ist der FDP-Mann Björn Sänger, der sich politisch gegen Windkraftanlagen einsetzt. Der Kläger „Oktoberwind“ hat nun Befangenheitsanträge gegen beide gestellt.



Holger Schwarz ist sauer. Seit Jahren liegen seine Windkraftpläne für Flieden und Eiterfeld in der Schublade – die Baugenehmigungen kommen und kommen nicht. Im Jahr 2013 strengte Schwarz eine Untätigkeitsklage an, die das Verwaltungsgericht Kassel nun endlich verhandelt – nach vier Jahren Warterei. Doch schon die Besetzung des Gerichts machte den Geschäftsführer der Oktoberwind GmbH & Co. KG stutzig. „Die Verhandlung lief so merkwürdig einseitig, es ging so wenig um die Sache selbst, dass ich mir dachte, da läuft in Wahrheit ein vollkommen anderer Film“, sagt Schwarz. Seine Recherche ergab dann für ihn alarmierende  Fakten.

So ist die ehrenamtliche Richterin Martina Selzer im Vorstand der Waldhessischen Energiegenossenschaft (WEG), die mit den Stadtwerken Kassel Windparks in Nordhessen betreibt. Die Oktoberwind GmbH & Co. KG, Klägerin im fraglichen Verfahren, baut ebenfalls Windkraftanlagen – und so sitze Selzer quasi über einen Konkurrenten zu Gericht. „Ist das im Rechtsstaat nicht ein Ding der Unmöglichkeit?“, fragt Schwarz. „Frau Selzer hat schon im Sinne ihrer Genossenschaft, der sie verpflichtet ist, ein Interesse daran, dass wir das Verfahren verlieren. Wie um alles in der Welt konnte die Dame davon ausgehen, sie sei unbefangen?“

Der zweite ehrenamtliche Richter, Björn Sänger, ist nach Schwarz' Ansicht ebenfalls nicht unparteiisch – er ist FDP-Kreisvorsitzender in Kreis Kassel-Land und erklärter Windkraftgegner. Der Intimus des früheren hessischen FDP-Wirtschaftsministers Florian Rentsch forderte bei Facebook mit FDP-Flyern den „Ausbaustopp für Windkraft“ und schrieb: „Wichtiges Thema für den Reinhardswald: Windenergie. Wir sind klar positioniert.“ Auf der Website der FDP Kassel-Land erklärt er seinen „erbitterten Widerstand“ gegen Windenergie im Reinhardswald. Auch in seinem Fall fragt sich Schwarz, wie er an seine Unbefangenheit behaupten konnte.

Schon bei der Verhandlung am vergangenen Mittwoch (25. Oktober 2017) erstaunte Sänger den Kläger mit seinen Fragen, die nichts zur Sache taten: Wie die Gesellschafterstruktur aussehe, ob die Klägerin bereits Erfahrungen im Windkraftanlagenbau habe, und ob sie auch Windkraftanlagen in Norddeutschland besitze. „Es sind allesamt Fragen mit einer politischen Stoßrichtung, die nichts mit der rechtlichen Bewertung unserer Baugenehmigungsanträge zu tun haben“, kritisiert Schwarz. Selzer fragte in der Verhandlung nach Rechtsnormen, um einzelne Windkraftanlagen abzulehnen. „Der Vertreter des Landes Hessen antwortete, dass es eine solche Regelung nicht gibt“, erläutert Schwarz. Daraufhin habe sie gesagt: „Das kann doch gar nicht sein.“

Normalerweise laufen Geschäftsverteilungspläne – also die Pläne der Besetzung von Gerichten – nach dem Zufallsprinzip. „Aber dass nun gleich zwei Befangene auf der Richterbank sitzen, kann kaum ein Zufall sein“, mutmaßt Schwarz. Die Befangenheitsanträge gegen beide Schöffen hat Schwarz bereits auf den Weg gebracht. Ob hinter der Besetzung ein politischer Wille steht, diese Windkraftanlagen zu verhindern, will Schwarz herausfinden. „Es wäre ein Skandal, wenn die hessische Justiz durch Geschäftsverteilungspläne den im breiten Konsens beschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energien verhindere, statt unbefangen Recht zu sprechen.“ In vier weiteren erstinstanzlich anhängigen Verfahren gegen das Land Hessen, will Schwarz jetzt recherchieren lassen, „ob wir auch dort hereingelegt worden sind, hierfür gibt es die ersten Anhaltspunkte.“

Schwarz wundert sich auch über die unverhohlene Art und Weise, in der FDP-Mann Sänger seine Windkraftgegnerschaft auslebe. Er setze sich bei Facebook nicht nur generell gegen Windkraftanlagen ein, sondern präsentiere sich dort auch als Kämpfer: „Ehrenamt mal etwas anders. Heute wieder als ehrenamtlicher Richter beim VG Kassel im Einsatz. In zwei Verfahren wird es um Windenergieanlagen im Landkreis Fulda gehen. Ich bin gespannt.“

Die Redaktion von OSTHESSEN|NEWS hat von den beiden betroffenen ehrenamtlichen Richtern und dem Sprecher des Verwaltungsgerichts eine Stellungnahme zu den Befangenheitsvorwürfen  angefordert und wird die Statements veröffentlichen, sobald sie vorliegen.+++(PM/Red.) 






















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