Von Osthessen auf den Weltmarkt (8)

Von der Jagdwaffe zum Ventil: Fahrzeugteile von Wagner stecken in jedem Auto

An der Mehrspindel-Drehmaschine
Fotos: Marius Auth

26.09.2017 / FULDA - Auf Europas Straßen ist kaum ein Fahrzeug unterwegs, in dessen Innerem nicht Bauteile von Wagner Fahrzeugteile aus Fulda ihren Dienst tun. Angefangen hat alles mit der Produktion von Jagdwaffen, inzwischen werden am modernisierten Standort von 500 Mitarbeitern Baugruppen für Motor, Getriebe und Fahrwerk gefertigt.


Anhand der Chronik erläutert Dr. Stephan Wagner, der seit 1985 die Geschäftsführung innehat, Stationen, die wenig mit dem heutigen Kerngeschäft zu tun haben: "1879 wurde die Firma Gebrüder Luck im thüringischen Suhl gegründet. Zuerst wurden Jagdwaffen hergestellt, später unter dem Namen Luck und Wagner Fahrradteile wie Pedale und Naben. Als nach dem Krieg 1948 der Standort nach Fulda an die Frankfurter Straße verlegt wurde, wurden zuerst auch nur Fahrradteile produziert, erst ab 1962 kamen Teile für die Automobilproduktion hinzu: Stanzteile, Klemm-Muttern und Drahtbiegeteile konnten mit den damaligen Maschinen gefertigt werden.

 Heute sieht das anders aus." In den Werkshallen stehen mehr als 50 moderne Mehrspindelautomaten sowie sechs Lötöfen, die im Dreischichtbetrieb mit den anderen Maschinen bis zu 60 Millionen Bauteile im Jahr produzieren können. Die Exportquote liegt bei 40 Prozent, im Bereich Kolbenkühlung ist Wagner Marktführer. Im Konstruktionsbüro zeigt Wagner eine Kolbenkühldüse, die zusammen mit Ventilen für PKW und LKW seit 30 Jahren Schwerpunkt der Teilefertigung darstellt. Auf den ersten Blick wirkt die Konstruktion unscheinbar, die Qualität steckt im Detail: "Im Motorblock geschraubt spritzt die Düse an den Kolbenboden. Der Hüllkreis in den Biegungen beträgt an manchen Stellen nur ein Zehntelmillimeter. Der Ölstrahl darf nicht aufreißen, muss gebündelt sein und genau treffen. Es gibt auf dem Weltmarkt nur vier Produzenten, die mit solcher Genauigkeit arbeiten", erklärt Wagner.

 Im Prüflabor werden die gefertigten Teile auf Herz und Nieren überprüft, der 3D-Laserscanner erkennt minimalste Abweichungen von der Norm. Um die hohen Qualitätsstandards abbilden zu können, wurden viele der Maschinen und Automaten, die in der Werkshalle brummen, selbst entwickelt. Im Unternehmen mit inzwischen 500 Mitarbeitern wird der Nachwuchs an Werkzeugmechanikern, Zerspanungsmechani-kern, Industriemechanikern und Elektronikern für Betriebstechnik in der Lehrwerkstatt über dreieinhalb Jahre in die Materie eingeführt. "Wir entwickeln heute viele Teile gemeinsam mit dem Kunden, um die spezifischen Anforderungen genau erfüllen zu können. Der Standort Fulda mit seiner optimalen Lage und Verkehrsanbindung hat auch zur Expansion unseres Unternehmens beigetragen", erklärt Wagner. In den 1980er-Jahren wurde das Grundstück erweitert, im Jahr 2003 dann das  ursprüngliche Autohaus Krah + Enders zur "Gläsernen Fabrik" umgestaltet, weitere Hallen auf dem Gelände der alten Filzfabrik kamen vor wenigen Jahren hinzu und schaffen Raum für die Zukunft.

 "Deutschland gilt als Hochlohnland, aber durch unsere Eigenentwicklungen, die eine geringe Taktzeit ermöglichen, können wir auch hier sehr erfolgreich produzieren. Geschwindigkeit, Kundennähe und Flexibilität sind dabei das Erfolgsrezept - klassische Tugenden des Mittelstands", so Wagner. (Marius Auth) +++

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