"Das ist mit der SPD nicht zu machen"

Außenminister Sigmar Gabriel im O|N-Interview: "Angst hilft nicht weiter"

Außenminister Sigmar Gabriel (links) und O|N-Redaktionsleiter Hans-Hubertus Braune
Fotos: Martin Engel

15.09.2017 / FULDA - In wenigen Tagen am 24. September sind die Wählerinnen und Wähler in Deutschland aufgerufen, den künftigen Bundestag zu wählen. Dabei geht es auch um eine Richtungsentscheidung. Die Polit-Prominenz aus Berlin nutzt den Wahlkampf, um in der gesamten Republik für ihre jeweilige Zielsetzung zu werben.

Auch der amtierende Außenminister Sigmar Gabriel ist in diesen Tagen viel im Lande unterwegs. So machte Gabriel am Mittwoch in der CDU-Hochburg Fulda Halt. OSTHESSEN|NEWS-Redaktionsleiter Hans-Hubertus Braune nutzte die Gelegenheit, um Gabriel im Rahmen seines Fulda-Besuchs ein paar Fragen zu stellen.

Lesen Sie unser Exklusiv-Interview zu den Themen "Angst vor Krieg und Terror", seine persönliche Bilanz in zwei Ministerien, Gegensätze zu Merkel und die Positionen der heimischen SPD-Bundesabgeordneten Birgit Kömpel und Michael Roth:



O|N: Vor einigen Tagen stand an dieser Stelle (der Uniplatz in Fulda) die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Heute Sie. Was unterscheidet den Vizekanzler Sigmar Gabriel von der Kanzlerin?

Sigmar Gabriel: Frau Merkel mag klassische Musik. Ich höre lieber die Stones. Im Ernst: Der wichtigste Unterschied ist, dass wir aus Parteien kommen, die eine fundamental unterschiedliche Auffassung darüber haben, wie wir in Deutschland unsere Zukunft gestalten wollen. Die SPD steht für Chancengleichheit, gute Bildung, gerechte Renten und faire Löhne. Für ein starkes, solidarisches Europa und dafür, dass sich Deutschland in der Welt für mehr Frieden und weniger Waffen einsetzt. Die CDU steht erstmal für gar nichts, die ist eine Wundertüte. Vor vier Jahren kam da nach der Wahl Herr Dobrindt rausgehüpft und hat der CDU seine PKW-Maut angedreht. Nächstes Mal springt vielleicht Jens Spahn heraus und sagt uns, wir müssten unsere Sozialleistungen kürzen und dafür die Ausgaben für Waffen und Rüstung verdoppeln – weil Donald Trump das gerne so hätte. Das ist mit der SPD nicht zu machen.

O|N: Fulda gilt seit vielen Jahren als Hochburg der CDU. Was kann hier eine rote Bundestagsabgeordnete bewirken? Wie hat sich Birgit Kömpel in ihrer ersten Amtsperiode geschlagen?

Sigmar Gabriel: Birgit Kömpel hat in den letzten Jahren einiges bewegt - in Berlin und für Ihren Wahlkreis - zum Beispiel beim Thema Stromtrasse Suedlink. Ich kenne Sie als jemanden, der geradeheraus ist und Klartext redet - das tut dem Bundestag gut. Man merkt, dass sie über jahrelange Berufserfahrung verfügt. Sie kommt aus dem echten Leben und weiß daher, wo bei den Menschen der Schuh drückt.

O|N: Deutschland geht es vergleichsweise gut, doch in der Welt herrschen viele Krisen. Die Menschen - auch in Deutschland - haben Angst vor Kriegen und Terror. Wie beurteilt der Außenminister Sigmar Gabriel die aktuelle Situation?

Sigmar Gabriel: Man hat selten eine Zeit erlebt, die so unübersichtlich und so krisengeschüttelt war wie unsere. Ich kann die Angst vieler Menschen nachvollziehen, wenn sie die Bilder aus Nordkorea, Irak, Syrien oder von den Terroranschlägen in Barcelona sehen. Wir leben in Deutschland nicht auf einer Insel der Glückseligkeit, abgeschottet von den Problemen dieser Welt. Aber Angst hilft nicht weiter. Wir haben in Europa gemeinsam viel erreicht. Wir haben diesen Kontinent nach zwei verheerenden Weltkriegen wieder zusammengeführt, zu Wohlstand und zu Frieden gebracht. Wir können auch heute noch eine Stimme der Vernunft in der Welt sein.

O|N: Sie werben für Abrüstung. Kann man mit den Erdogans, Kims oder Trumps dieser Welt überhaupt noch reden?

Sigmar Gabriel: Man muss mit ihnen reden, ja. Aber auf das „wie“ kommt es an. Ich will Ihnen mal ein Beispiel geben: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, 1986, haben sich Gorbatschow und Reagan in Reykjavik getroffen und darüber gesprochen wie Russland und die USA ihre Waffenarsenale abbauen können. Das Ergebnis war ein Verbot von atomaren Mittelstreckenraketen - mitten in der Hochphase des Wettrüstens. Dieses Abkommen sorgt noch heute für unsere Sicherheit. Auch das Iran-Abkommen hätte es nie gegeben, wenn nicht jemand gesagt hätte: Lasst uns reden, auch wenn es schwierig wird.

O|N: Ihr politischer Stellvertreter Michael Roth (Staatsminister für Europa) kommt aus unserem Verbreitungsgebiet. Welche Rolle nimmt Roth bei der Bewältigung der europäischen Aufgaben inzwischen ein?

Sigmar Gabriel: Michael Roth ist ein gewiefter Außenpolitiker und ein leidenschaftlicher Europäer. Er hat sich in den letzten Jahren sehr verdient gemacht um die deutsch-französische Freundschaft und um die europäische Einigung. Solche Leute brauchen wir mehr denn je - in der SPD, in der Außenpolitik und in Europa. Er hat mir übrigens von der Region hier vorgeschwärmt und mir einen Besuch in Bad Hersfeld empfohlen. Mal schauen, ob ich das noch schaffe.

O|N: Wirtschaft oder Außenpolitik – Welche persönliche Bilanz ziehen Sie aus der vergangenen Wahlperiode?

Sigmar Gabriel: Es gibt doch diesen Satz: „Niemand kann ein großer Ökonom sein, der nur Ökonom ist“. So ist es auch in der Politik. Man kann Wirtschaftspolitik nicht ohne die internationale Perspektive machen und man kann keine Außenpolitik ohne Wirtschaft machen. Deswegen bin ich froh, dass ich beides gemacht habe. Im Übrigen ist unsere Wirtschaftskraft ja einer der wichtigsten Gründe, weshalb wir international so akzeptiert und ein gesuchter Gesprächspartner sind.

O|N: Mit welchem Gefühl blicken Sie in die Zukunft?

Sigmar Gabriel: Ich bin Berufsoptimist, nicht nur im Wahlkampf.

Vielen Dank für das Gespräch! (Hans-Hubertus Braune) +++

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