50 Jahre: Das Haus am Kirschberg
Kinder schützen, Mütter stärken – gemeinsam Chancen geben
Fotos: hfdkv
29.08.2017 / LAUTERBACH -
„Ich möchte euch vorab etwas sagen, ich bin dankbar.“ So beginnt der Bericht von Marlen, einer ehemaligen Bewohnerin des Hauses am Kirschberg. Sie war dort als selbst noch minderjährige Mutter mit ihrem Baby eingezogen und hatte zunächst alles „doof“ gefunden. Heute sieht sie das anders, so wie viele „Ehemalige“, denn sie hat es geschafft. Nun feiert der Verein „Hilfe für das verlassene Kind“, der das Haus am Kirschberg betreibt, sein 50-jähriges Jubiläum.
In den 1960iger Jahren war die gesellschaftliche Situation für alleinstehende Mütter aus heutiger Sicht hart. Alleinerziehende Frauen wurden ausgegrenzt und waren oft in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht überfordert. Sie mussten ihre Kinder in Heimen unterbringen. Schon damals war allerdings auch bekannt, welch negative Auswirkungen die Trennung von Mutter und Kind mit sich bringt.
Das Ehepaar Sigrid und Werner Krauss aus Eschborn (Taunus) wusste aus seiner Arbeit im Kinderheim nur allzu gut von dem Elend dieser Mütter. Ihre Idee war: Wer der Mutter hilft, hilft auch dem Kind und schafft so Perspektiven. Sie gründeten den Verein "Hilfe für das verlassene Kind", sammelten bundesweit Spenden und erwarben schließlich das ehemalige Hotel Haus am Kirschberg.
Bald entwickelten sich aus der Arbeit mit Mutter und Kind weitere Projekte. Schon 1979 startete die Betreuungsgruppe für Mädchen, die in ihrem jungen Leben schon schlimmste Erfahrungen wie Gewalt oder Missbrauch gemacht hatten. Später kam die „Pädagogisch-Therapeutische Intensivgruppe“ dazu. Hier fanden Mädchen mit seelischen Beeinträchtigungen wie Essstörungen, Selbstverletzungen oder Borderline, oft nach einem längeren Krankhausaufenthalt, eine intensive Betreuung auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit.
Gesellschaftliche Anforderungen ändern sich. Deshalb werden auch nach 50 Jahren immer wieder neue und innovative Konzepte entwickelt wie aktuell die „Stationäre Clearingstelle“. In den letzten Jahren gibt es immer mehr Fälle, in denen auch volljährige Mütter überfordert und alleingelassen angetroffen werden. Dann müssen Jugendämter schnellstmöglich Hilfsangebote finden und manchmal schicksalsschwere Entscheidungen treffen. Durch die Intensivbetreuung im Haus am Kirschberg lassen sich dann konkrete Schritte entwickeln und besser Prognosen stellen.
Die bis zu 100 Mitarbeitenden im Haus werden auch in Zukunft viel zu tun haben. Doch Mädchen, die ihren Kindern eine Zukunft geben konnten, ja sogar ehemalige Bewohnerinnen, die selbst schon Großmutter wurden, sind eine echte Motivation für die Kirschberger. „Es herrschte Wärme in diesem Haus. So habe ich es erlebt“, schreibt Anna, eine Ehemalige. „Es war eine der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens, ich werde die Zeit dort nie vergessen, ohne die ich niemals da wäre, wo ich heute bin.“ (pm) +++