Angrillen mit Ministerpräsidentin

Malu Dreyer (SPD): „Wahlkampfzeiten sind urdemokratische Zeiten“

Ministerpräsidentin Malu Dreyer wird von Staatsminister Michael Roth begrüßt, im Hintergrund die Stiftsruine.
Fotos: Gerhard Manns

12.08.2017 / BAD HERSFELD - Sie ist keine Politikerin, die auf lautstarkes, populistisches Wahlkampfgetöse setzt. Sachlich, authentisch, herzlich gibt sich die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz beim „Angrillen“ der SPD im Bad Hersfelder Falkenheim. Selbstverständlich findet Malu Dreyer im Gespräch mit dem Staatsminister und Bundestagsabgeordneten Michael Roth, der zum sechsten Mal für die Sozialdemokraten im heimischen Wahlkreis (Werra-Meißner/Hersfeld-Rotenburg) kandidiert, klare, deutliche Worte. Viele Spitzenpolitiker krakeelen, Dreyers Erfolgsrezept ist Freundlichkeit.



Richtig kuschelig ist es im „Haus der Falken“: Rund 140 Genossen drängen in den Saal – aufgrund des unbeständigen Wetters muss die Veranstaltung vom Garten in den Innenraum verlegt werden. „Wir wollen auf Nummer sicher gehen, damit wir nicht im Regen stehen“, meint Michael Roth. Mit kühlem Blonden und „Ottos Bratwurst“ wird die Wartezeit auf Malu Dreyer überbrückt. „Ich hatte einen großen Wunsch: Nämlich den, diejenige in unseren Reihen begrüßen zu dürfen, die ich besonders verehre, und das ist Malu Dreyer.“

Lächelnd, strahlend betritt die Regierungschefin den Saal. Frenetischer Applaus schallt ihr entgegen. Dreyer muss an diesem Donnerstagabend auf dem Weg zum Rednerpult viele Hände schütteln. Klar steht die Juristin mit dem Staatsminister auf Du und Du. „Ich habe Michael als absolut überzeugten Europäer kennengelernt“, sagt sie. „Ich mache unglaublich gerne Wahlkampf und will wissen, was die Leute denken.“ Wahlkampfzeiten seien urdemokratische Zeiten. Sie sei froh darüber, dass Gerechtigkeit eine große Rolle im Wahlkampf der SPD spiele.

„Wir Sozialdemokraten wollen einen Wandel gestalten, an dem alle teilhaben können. Niemand soll vergessen werden“, unterstreicht die Landesmutter von Rheinland-Pfalz. „Wir treten an mit neuen Ideen und möchten gerne stärkste Partei werden. Wir wollen investieren in unser Land: In gebührenfreie Bildung und digitale Infrastruktur.“ Man wolle klotzen, um die Arbeitnehmer mitzunehmen. Die Arbeitswelt hätte sich verändert: Vor diesem Hintergrund wolle die SPD ein Recht auf Weiterbildung, das sogenannte Arbeitslosengeld Q für die Dauer der Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen und einen verbesserten Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit einführen. Denn: „Wir gestalten Zukunft!“

Fachkräftemangel, Infrastruktur, Demografie und Gesundheit sind Dreyers Themen. Den Frauen ruft sie zu: „Geht selbstbewusster mit Euren Talenten um!“ Mehr Frauen in leitenden Positionen würden die Welt „erheblich verändern“. Über Bundeskanzlerin Angela Merkel sagt sie: „Sie sitzt vieles aus, wartet ab und moderiert. Was will sie mit der Flüchtlingspolitik? Was will sie mit Europa? Warum ist sie nicht zum Diesel-Gipfel gekommen?“

Angesprochen von Michael Roth auf ihre Krankheit (Anm. d. Red.: Malu Dreyer leidet an Multipler Sklerose), meint die Ministerpräsidentin: „Ich sage nicht ‚ich bin krank‘, sondern ‚ich habe MS‘. Für mich ist es wichtig, dass ich ein authentisches, erfüllendes Leben führen kann. Mein Glas ist niemals halb leer, sondern immer halb voll.“

Begeistert erzählt die Regierungschefin über ihr Zuhause: Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie im „Schammatdorf“, einem integrativen Wohnprojekt in Trier. „Das ist quasi ein Abbild unserer Gesellschaft im Kleinformat“, erläutert sie. „Und ein Zukunftsprojekt in einer Welt, in der wir immer älter werden.“ Ein Spielball, den Michael Roth gerne aufnimmt: Er hege die Hoffnung, dass sich das „Schammatdorf“ als Exportschlager entpuppe, damit wieder selbstbewusster über den ländlichen Raum geredet werde. (Stefanie Harth) +++

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