Die MITTWOCHS-KOLUMNE

JOCHEN WIELOCH schreibt an (50)…die neuen Azubis


Foto: Privat

09.08.2017 / REGION - Liebe Azubis,



Ihr Los heißt Ausbildungsvertrag. Sollten Sie in zwei Jahren alles über Mahlgrad, den Unterschied zwischen Arabica und Robusta, die richtige Brühtemperatur und die weltweiten Anbauregionen von Kaffee wissen, dann haben Sie eine Niete gezogen. Es sei denn, Sie sind Lehrling in einer Rösterei. Auch wenn Sie künftig morgens als Erster kommen und abends das Geschäft abschließen, nachdem Sie die Abrechnung erledigt, die Regale befüllt, den Boden gewischt und die firmeneigene Hecke geschnitten haben, ist der Hauptgewinn an Ihnen vorbeigegangen.

In diesen Tagen stellen Sie die Weichen für Ihre berufliche Zukunft. Sie sind Auszubildende, Lehrlinge, Stifte, Lehrbuben und Lehrmädchen. Sie sollen und dürfen lernen, Fehler machen, Fähigkeiten entdecken, sich auf Ihr Berufsleben vorbereiten, als Persönlichkeit reifen. Das klappt, aus unterschiedlichen Gründen, nicht immer. Ich hoffe, Sie zählen nicht zu den 25 Prozent, die Ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen.

Es gibt sie, die tollen Ausbildungsbetriebe mit Konzept, mit detailliertem Plan und vor allem mit Zeit für den Nachwuchs. Doch viel zu oft entpuppt sich das, wo Ausbildung draufsteht, als Mogelpackung. Lehrjahre sind bekanntermaßen keine Herrenjahre. Kaffeekochen, Kopieren und Botengänge gehören dazu. Ein Tabu sollte es allerdings sein, Sie dauerhaft mit jobfremden banalen Tätigkeiten zu beschäftigen. Oder, im Gegensatz dazu, Sie als Billigarbeiter auszubeuten. Als volle Kräfte, die die löchrige Personaldecke stopfen. Die Überstunden ohne Ende anhäufen und mehr Verantwortung als erlaubt übernehmen müssen. Kollabiert Ihr Betrieb ohne Sie als Lehrling, dann krankt dessen System. In diesem Fall sollten Sie die Reißleine ziehen.

Liebe Azubis, wer viele Rechte hat, der muss auch seine Pflichten kennen. Wir reden hier nicht von komplexen Paragraphen. Sondern von simplen Spielregeln. Von Selbstverständlichkeiten. Von Dingen wie Pünktlichkeit, Freundlichkeit, Fleiß, einem Mindestmaß an Eigenverantwortung. Soziale Kernkompetenzen werden rar. Viele Chefs verzweifeln. Weil der „kranke“ Lehrling bei Facebook stolz seine wilden Partybilder präsentiert. Der Azubi am zweiten Tag darauf besteht, mit zum Geschäftstermin nach Nizza zu reisen. Und es als Majestätsbeleidigung ansieht, den Geschirrspüler einzuräumen. Größenwahn gepaart mit flegelhaftem Benehmen – ich verstehe jeden Boss, der in solchen Fällen tägliches Rasenmähen oder Schneeschippen als Erdungsmaßnahme auf die Ausbildungs-Agenda setzt.

Liebe Azubis, ich wünsche Ihnen ein glückliches Händchen bei Ihrer Betriebswahl. Inspiration und Transpiration. Eine Aufgabe, die für Sie in den nächsten Jahrzehnten mehr Berufung als Beruf darstellt. Ich verabschiede mich an dieser Stelle.

Mit herzlichen Grüßen





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