Festspiel-Stars im Portrait (7)

"39 Stufen" als Spielwiese: Philipp Wiechert tobt sich als Bühnenmusiker aus

Brilliert als Bühnenmusiker in den "39 Stufen": Philipp Wiechert.
Fotos (2): Stefanie Harth

21.07.2017 / BAD HERSFELD - Ein „Mr. Memory“-Motiv hat er nicht geschrieben. Ein „Richard Hannay“-Thema auch nicht. Philipp Wiechert, der gemeinsam mit Regisseur Patrick Schimanski die Musik für die Festspielinszenierung „Die 39 Stufen“ komponiert hat, muss sich um erstaunlich wenige Konventionen scheren. „Da es keine feste Partitur für die Theaterfassung gibt, haben Patrick und ich uns wie auf einer Spielwiese austoben können“, sagt der Bühnenmusiker.



Melodien, Töne und Klänge dienen im Eichhof-Stück als starke gestalterische Elemente. Selbstverständlich ist alles live: Stets hält Philipp Wiechert, der seinen Posten rechts neben der Bühne bezogen hat, Augenkontakt mit den Schauspielern. „Manchmal nehme ich die Handlung mit oder treibe sie voran, manchmal halte ich brutal dagegen, was skurrile Momente schafft“, erläutert der 27-jährige Dresdener. Seine Resonatorgitarre offeriert ihm die mannigfaltigsten Soundmöglichkeiten. „Das Instrument legt einem per se keine Grenzen auf, passt in jegliche Stilistik.“

Zwei Stunden lang ergründet das Publikum zusammen mit dem Darsteller-Quartett das Geheimnis der 39 Stufen, einer gefährlichen Spionage-Organisation. Auch wenn es den Zuschauern nicht bewusst ist: Philipp Wiechert ist 75 Prozent der Spielzeit im Einsatz. „Häufig bin ich für die leisen, atmosphärischen Sounds zuständig, die unter den gespielten Szenen liegen“, berichtet der studierte Jazz-Gitarrist, der vorrangig eigene Songs schreibt und Teil diverser Bandprojekte ist. „Die Musik unterstützt die Schauspieler. Ich drängele mich nicht in den Vordergrund, wenn es nicht angebracht ist.“

Auf das perfekte Timing kommt es an, wenn Philipp Wiechert Geräusche, wie das Knallen einer Tür oder das Klingeln eines Telefons, „imitieren“ muss. Von der Zeitabstimmung einmal abgesehen, lassen ihm gerade die atmosphärischen Parts ganz viel Spielraum. „Das genießen die Akteure auf der Bühne. Wir navigieren uns quasi gemeinsam durch die Szenen“, meint der Bühnenmusiker, der von dieser Art des intuitiven Arbeitens begeistert ist. Resonatorgitarre, Mandoline, Stomp-Box, Daxophon – „damit lassen sich gruselige, spooky Töne kreieren“ –, Freeze- und Octaver-Effektgerät sind seine Werkzeuge im kleinen Freilichttheater am Eichhof.

„Es wird nie langweilig, bei den ‚39 Stufen‘ mitzuwirken“, bekräftigt der gebürtige Eisenhüttenstädter. „Wir sorgen allabendlich für Überraschungsmomente und verfallen in keinen Trott.“ Von Langeweile kann auch in Philipps Freizeit keine Rede sein. Er teilt sich in einem Bad Hersfelder Stadtteil eine Saison-Wohnung mit Luther-Darsteller Maximilian Pulst. „Wir haben uns vor Jahren beim Freiwilligen Sozialen Jahr kennengelernt und sind seitdem sehr gut befreundet. Dass wir beide in Bad Hersfeld gestrandet sind, war absoluter Zufall.“ Das i-Tüpfelchen einer guten, einer schönen Zeit. (Stefanie Harth) +++

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