Staatsminister Wintermeyer unterwegs

Ortstermin in Flüchtlings-Wohngruppe: "Gäste müssen sich dem Gastland anpassen"

Staatsminister Axel Wintermeyer (links) besuchte am Dienstag eine Wohngruppe für minderjährige Flüchtlinge in Lauterbach.
Fotos: Marius Auth

19.07.2017 / LAUTERBACH - 5.689 unbegleitete minderjährige Ausländer werden momentan in hessischen Betreuungsstellen versorgt und für die Integration fit gemacht. Staatsminister Axel Wintermeyer, Flüchtlingskoordinator für Hessen, gab am Dienstag beim Besuch einer Flüchtlings-Wohngruppe in Lauterbach zusammen mit Integrations-Verantwortlichen aus dem Vogelsberg einen Einblick in die herausfordernde Arbeit.



Visar Ramallari aus Albanien und Ali Safi aus Afghanistan haben es geschafft: Seit zwei Jahren sind sie mit zehn anderen Jugendlichen in der Wohngruppe in der Rhönstraße untergebracht, einem früheren Gebäude der Wohlfahrt GmbH Metallwaren. Die Schottener Sozialen Dienste betreiben noch zwei weitere Wohngruppen für unbegleitete minderjährige Ausländer in Schotten. Neben der schulischen und beruflichen Förderung steht der Aufbau sozialer und interkultureller Kompetenzen im Vordergrund. Sieben der zwölf Schützlinge haben bereits einen Ausbildungsplatz, gute Kontakte zur Nachbarschaft und ins lokale Vereinsleben erleichtern die zügige Integration: ein Vorzeige-Projekt.

Staatsminister Wintermeyer, der sich auf einer mehrtägigen Sommerreise die sechs für den Hessischen Demografie-Preis 2017 nominierten Projekte anschaut, sprach mit den Jugendlichen und erläuterte die Anstrengungen im Hintergrund: "In den letzten zwei Jahren hatten wir einen ungeahnten Ansturm von Flüchtlingen in die Bundesrepublik zu bewältigen: Nach Hessen sind netto 100.000 Flüchtlinge gekommen, die menschenwürdig untergebracht und medizinisch versorgt werden mussten.
Als relativ kleines Bundesland haben wir inzwischen 1,4 Milliarden Euro im Haushalt für Integrationsmaßnahmen: Von einem Tag auf den anderen hatten wir 30.000 Schulkinder ordentlich unterzubringen - keine alltägliche Herausforderung", erklärte Wintermeyer, der auch auf den Stimmungswandel in der Bevölkerung einging: "Wir sind nicht nur da, um uns zu freuen. Die Rechtssicherheit muss gewährleistet bleiben. Grundsätzlich gilt, dass sich Gäste dem jeweiligen Gastland anpassen - nicht umgekehrt."

Das Flüchtlings-Projekt "Männer für Männer" im nordhessischen Niedenstein, das Wintermeyer unlängst besichtigte, soll Rollenidentität und Geschlechterverhältnis im neuen Gastland vermitteln: Je zwölf Flüchtlinge werden von einem Mentor begleitet, der von Fachkräften zu Themen wie Alltagsbewältigung und Gleichberechtigung ausgebildet wird. Bei Erlebnissen in Verein und Familie sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten reflektiert werden. Die Betreuung nach den Maßgaben des Sozialgesetzbuches sei trotzdem suboptimal, so Wintermeyer: "Nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz werden die minderjährigen unbegleiteten Ausländer wie schwer Erziehbare aus sozial minderbemittelten Familien mit schlechter Zukunftsprognose behandelt. Das ist nicht immer einfach zu erklären: Viele sind weder drogenabhängig noch anderweitig belastet und könnten ohne Probleme in anderen Wohngruppen bleiben." Die Bereitschaft, diese Regelung zu verändern, sei aber momentan in der Politik nicht allzu groß.

Ein Gesetzesentwurf, der das Achte Buch Sozialgesetzbuch zuungunsten des Betreuungsschlüssels in den Einrichtungen verändert hätte, sei wieder vom Tisch, erklärte Silke Becker, Geschäftsführerin der Schottener Sozialen Dienste: "Momentan kommen auf einen Betreuer 1,8 Flüchtlinge - es hätten bis zu 30 werden können. Aber Minderjährige brauchen ausreichend familiäre Bezugspersonen und Struktur: Sie müssen durch Rollenvorbilder lernen, wie Deutschland, wie auch das Leben hier im Vogelsberg funktioniert. Dann können sie zu einer echten Bereicherung für unser Land werden, gerade angesichts des demografischen Wandels." (Marius Auth) +++

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