SPD: Durch Ulrichstein muss ein Ruck gehen

Stadtverordnete lehnen erstmals Haushalt ab - Grund: Steuererhöhungen

Trotz enormer Eigenleistung der Bevölkerung haben Projekte wie die „Neue Mitte“ in Unter-Seibertenrod für ein Ansteigen des Schuldenstandes gesorgt.
Fotos: Dieter Graulich

25.06.2017 / ULRICHSTEIN - Zum ersten Mal haben Ulrichsteins Stadtverordnete am Freitagabend eine Haushaltssatzung mit Haushaltsplan und allen Anlagen abgelehnt, obwohl das Zahlenwerk bei einem Jahresergebnis mit einem Gesamtaufwand von rund 5,18 Millionen Euro und Erträge in Höhe von rund 5,19 Millionen Euro sogar ausgeglichen war. Knackpunkt der Ablehnung war allerdings, dass der Haushaltsausgleich nur möglich war, wenn die Hebesätze der Gewerbe- und Grundsteuern massiv steigen würden. Die Grundsteuer A und B musste dabei jeweils um 359 Prozent auf 639 Prozent steigen; der Gewerbesteuerhebesatz war mit einer Steigerung um 30 Prozent von 380 auf 410 Prozent eingerechnet.

Diese massive Erhöhung wurde von SPD- und FW-Fraktion ablehnt. SPD-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Repp betonte, dass dies fast eine Verdoppelung der Realsteuersätze sei. Bei den Beratungen habe man versucht das ohne die Steuererhöhung vorhandene Defizit von rund 400.000 Euro nach dem Motto: Sparen, sparen und nochmal sparen, zu verringern aber es sei nicht gelungen. Als eine der Hauptursachen für das Defizit nannte Repp die immer größer werdenden Forderungen des Landes Hessen bezüglich Kindergärten, Kläranlagen und der Eigenkontrollverordnung (EKVO) bei der Abwasserversorgung.

„Die Vergangenheit hat uns jetzt endgültig eingeholt und es ist nun an der Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, die keiner von uns wollte“, so Frank Schäfer, für die Freie Wähler Fraktion. Zusammen mit der SPD-Fraktion seien sämtliche Kostenstellen durchforstet, Vorhaben zurückgestellt oder gestrichen worden und die gesammelte Maßnahmenliste zur weiteren Arbeitsgrundlage an Bürgermeister, Magistrat und Finanzverwaltung übergeben worden. Hohe Investitionen aus der Vergangenheit, Rückzahlungen von Beiträgen sowie unvorhersehbare Ereignisse, wie der Zusammenbruch der Wasserversorgung in Ulrichstein und Rebgeshain hätten weitere Kosten in den Haushalt gespült.



Das einseitige Vorgehen, nur Steuern erhöhen und nicht nach deutlichen Einsparungen zu suchen, werde er nicht mittragen so Karl Weisensee (SPD). Was schon der verstorbene Altbundespräsident Roman Herzog gesagt habe: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen“, müsse jetzt auch für Ulrichstein gelten. Die „Vollkaskomentalität“ werde in Zukunft nicht mehr funktionieren. Es müsse vermehrt einiges ehrenamtlich vor Ort erledigt werden. Über Jahrzehnte seien Schulden in Höhe von zehn Millionen angehäuft, aber dafür auch Werte geschaffen. Dafür müssten nun Unterhaltungskosten, Abschreibungen, Zinszahlungen und Rückzahlungen geleistet werden. Bereits vor über 30 Jahren habe er gewarnt, man könne nicht mehr Geld ausgeben, wie man einnehme, war von Dr. Ernst-Ludwig Roth (SPD) zu hören. Auch er betonte, dass das Land viel fordere, aber nicht ausreichend dafür bezahle.

Geteilter Meinung war die Fraktion „Alternative Kraft“, so plädierte Dr. Sven Kilian zwar für die Verabschiedung des Haushaltsplanes, denn um handlungsfähig zu bleiben, müsse ein Haushalt vorgelegt werden. Er bedauerte allerdings, dass die berechtigten Interessen der ländlichen Bevölkerung nicht im Hessischen Landtag berücksichtigt würden und stimmte deshalb dagegen. Sein Fraktionskollege Werner Roth stimmte als einziger Abgeordneter für den Haushaltsplan. Mit elf Nein-Stimmen und bei einer Ja-Stimme wurde der Haushalt abgelehnt. Als Folge der Ablehnung des Haushaltsplanes wurde das Haushaltssicherungskonzept für 2017 von der Tagesordnung genommen.

Längere Diskussionen gab es anschließend bei der Festsetzung der Hebesätze für 2017. Entgegen der zuerst vorgesehen Erhöhung von seither 359 v.H. auf 639 v.H. bei der Grundsteuer A und B sollen diese auf nur 490 v.H. erhöht werden. Die Gewerbesteuer steigt von 380 v.H. auf 410 v.H. Die neuen Hebesätze sollen rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres wirksam werden, die Steuerbescheide allerdings erst nach der Verabschiedung des Haushaltsplanes versandt werden. Bürgermeister Edwin Schneider wies vor der Abstimmung daraufhin, dass bei einer Ablehnung des Antrages ab dem 1. Juli fast alle freiwilligen Leistungen der Stadt gestrichen werden müssten. Mit acht Ja-Stimmen und bei vier Gegenstimmen wurde der Antrag angenommen.

Als einen Scherz bezeichnete Dr. Sven Kilian (FW-Fraktion) den Antrag der SPD-Fraktion auf Erhöhung der Hundesteuer. Damit sei der Haushalt nicht zu retten. Wolfgang Repp verwies für die antragstellende Fraktion darauf hin, dass durch die Erhöhung sowie einer flächendeckender Erfassung aller Hundehalter sich die Steuereinnahmen von rund 15.000 Euro verdoppeln würden. Die Steuersätze seien derzeit am untersten Niveau im ganzen Vogelsberg. Als neue Sätze wurden vorgeschlagen: Erster Hund 84 Euro, bisher 48 Euro; Zweiter Hund 120 Euro, bisher 66 Euro; Dritter und jeder weitere Hund 180 Euro, bisher 72 Euro. Für einen gefährlichen Hund soll der Besitzer zukünftig 600 statt 400 Euro zahlen. Vehement verwahrte sich Dr. Kilian dagegen, dass die Ortsvorsteher die Erfassung der Hundesteuerzahler sicherstellen sollen. Der Antrag wurde bei acht Ja- und vier Nein-Stimmen angenommen. gr++



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