Point Alpha-Preis - BILDER (80)
Norbert Lammert über Wolf Biermann: "Er wird niemals seine Schnauze halten!"
Fotos (76): Hans-Hubertus Braune
19.06.2017 / RASDORF -
Der heutige Point-Alpha-Preisträger Wolf Biermann begann seine Dankesrede mit einem Geständnis: "Als ich gefragt wurde, ob ich diesen Preis annehme, da wusste ich nicht mal, was das ist!" Aber als er sich kundig gemacht hatte, befand er: "Ja, ja, dieser Preis schadet mir nicht. - Und von Ihnen Frau Lieberknecht lass ich mir so 'nen Preis gerne anhängen", gestattete er der Präsidentin des Kuratoriums Deutsche Einheit die Übergabe. Bei der Liste der bisherigen Preisträger sei ihm aufgefallen, dass es meistens die Alphatiere seien, die den "Alpha-Preis" bekämen, dabei gebe es doch jede Menge Beta- und Gamma-Tiere, die viel tapferer seien und mehr leiden müssten, fügte Biermann hinzu. Anschließend dankte der 80-Jährige dem Kuratorium und den rund 1.000 anwesenden Gästen mit einem Extra-Konzert, das den Bogen vom Heine-Lied bis zum Preußischen Ikarus schlug und sein Auditorium begeisterte.
Zuvor hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert seinen Freund Wolf Biermann in der ihm eigenen klaren Diktion beschrieben und gewürdigt. "Der Mann ist uns der beste, der grad und aufrecht steht", zitierte er Ferdinand Freiligrath als einen Vorläufer Biermanns. Dessen exemplarische Biografie erhelle in besonderer Weise, warum die deutsche Teilung nicht aufrecht zu erhalten, die Einheit nicht aufzuhalten war. Biermann selbst habe den Mauerbau noch gerechtfertigt, nachdem er mit fröhlichen Illusionen 16-jährig von Hamburg "als frommes Kommunistenkind" in die DDR gezogen war.
Norbert Lammert hatte dem 80-Jährigen noch eine - hoffentlich zutreffende - Prognose mitgegeben: "Solange Wolf Biermann seiner Stimme und seiner Sinne noch mächtig ist, ist auch nicht zu erwarten, dass er jemals seine Schnauze hält", und fügte hinzu, das Gegenteil sei auch weder wahrscheinlich noch wünschenswert.
Biermanns Dankeskonzert endete auf zugerufenen Wunsch mit der "Ermutigung". Das Lied sei quasi "sein Schlager", hinge ihm zwar inzwischen einigermaßen zum Halse raus, aber er wisse auch genau, dass es für viele Häftlinge im DDR-Knast ein Stück Seelenbrot gewesen sei. "Ich verdanke es Leuten wie Euch, dass ich nicht abgestürzt bin", verabschiedete sich der große Poet und Künstler von seinem beeindruckten Publikum.(Carla Ihle-Becker)+++