"Kunden in Kalbach und in Kuwait"

Innenstadt statt Internet: Wie der Einzelhandel vom Onlinegeschäft profitiert

Winfried und Theresia Ducke in ihrem "Vanilleladen" in der Fuldaer Rabanusstraße.
Fotos: Marius Auth/43einhalb

03.06.2017 / FULDA - Würziges Mango-Chutney, Kühlgamaschen für Pferde, rotweiße Kult-Adiletten: Osthessische Unternehmen haben Produkte im Angebot, nach denen sich Liebhaber die Finger lecken. Die Absatzmöglichkeiten für Nischenprodukte sind dank Onlineshops besser denn je. Und längst gelten Ladengeschäfte für die Onliner als schickes Schaufenster, das auch den Einzelhandel in der Innenstadt belebt.



Wenn Theresia Ducke ihre Bourbon-Vanille-Schoten für den Versand fertigmacht, riecht es im ganzen Laden nach Madagaskar: Das aromatische Stangengewürz macht selbst herzhafte Gerichte wunderbar weich und entführt in eine Welt des unverfälschten Geschmacks. „Manche Dinge muss man einfach vorher schmecken, ausprobieren, anfassen – was ist schon eine 360-Grad-Ansicht im Onlineshop, wenn das Gewürz nicht visuell kommuniziert? Und wenn die Geschmacksknopsen erst mal angeregt sind, entdeckt man im Geschäft vielleicht noch ganz andere Schätze“, erklärt Ducke, die zusammen mit Ehemann Winfried Ducke im Vanilleladen in der Fuldaer Rabanusstraße rund ein Drittel ihres Umsatzes mit dem Onlinegeschäft macht. Angefangen hat alles mit einer unerwarteten Geschäftsbeziehung: Bruder Johannes Hess kam im Jahr 2008 günstig an Vanilleschoten aus Madagaskar, die Idee war geboren. Bereits 2009 wurde im ehemaligen Tegut in Maberzell der erste Vanilleladen gegründet: „Damals lief das Geschäft nur online: Wir hatten eine Lagerfläche und den Shop; Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wollen die echte Vanille aus biologisch-organischem Anbau und ohne chemische Zusätze. Bei Gewürzen ist das Bewusstsein fürs Gute glücklicherweise da“, erklärt Ducke. Nach einer Zwischenstation in der Brauhausstraße, bei der das Lager schnell zu klein wurde, siedelten die Duckes sich in der Rabanusstraße schräg gegenüber von Galeria Kaufhof an. Hier schauen neugierige Passanten in den Laden und verlassen die „Genussmanufaktur“ nicht selten mit einer kleinen Kiste voller Geschmacks-Wunder.

Multi-Channel-Marketing nennen Handelsexperten die Kombination unterschiedlicher Kommunikations- und Vertriebswege: Viele Kunden, die im Vanilleladen auf den Geschmack gekommen sind, ordern die fruchtigen Balsamicos und würzigen Chutneys später im Onlineshop. Für Theresia Ducke ist der Laden zudem Veranstaltungsort für Salatsoßen-Seminare, die helfen, Essige und Öle virtuos zu kombinieren, um die pflanzlichen Inhaltsstoffe aufzuschließen.

Auch in Angersbach profitieren Kunden vom stationären Teil des Onlinehandels: Der Pferdedecken-Shop ist inzwischen Deutschlands größter Pferdedecken-Versand, angefangen hat alles vor 20 Jahren im Reitsportfachgeschäft „Horse Shop“ in Landenhausen: „In 2004 haben wir unsere Geschäftsfläche auf 500 Quadratmeter erweitert und durch eine eigene Sattlerei schnell Kunden über die Grenzen Hessens hinaus überzeugen können. Nachdem wir mit dem IT-Spezialisten Ecoplan aus Fulda in 2011 eine Kooperation eingegangen sind, ist das Onlinegeschäft durch die Decke geschossen. In 2016 haben wir dann in Angersbach unseren neuen Horse Shop auf zwei Etagen mit einer riesigen Lagerfläche und 1.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche eröffnet. Zwei Drittel des Umsatzes kommen durchs Online-Geschäft, aber wer hier als Pferdehalter vorbeischaut, wird durch die große Vorhaltungsfläche fürs Internetgeschäft nicht enttäuscht werden: 18.000 Decken, 300 unterschiedliche Sättel und grundsätzlich Artikel in allen Größen und Variationen haben unser Einzugsgebiet auf 150 Kilometer vergrößert. Man kann den Sattel vor Ort inspizieren, aber auch online ist der Anspruch: ‚Heute bestellt, morgen auf dem Pferd‘. Räumlichkeiten für Seminare erlauben, reitspezifische Themen im passenden Ambiente zu veranstalten", erklärt Christof Keller, der den Shop zusammen mit Ehefrau Simone Keller-Döppner betreibt.

Unscheinbar wirkt dagegen das Ladengeschäft des Sneaker-Spezialisten „43einhalb“ am Peterstor in Fulda: Ausgewählte Modelle angesagter Schuh-Marken werden wie Ausstellungs-Stücke inszeniert, für Kultschuhe sind schnell 150 Euro oder mehr fällig. Zwar kommt der Löwenanteil des Umsatzes durch Internetverkäufe – selbst in Kuwait gibt es treue Kunden –, aber die technischen Möglichkeiten im Onlineshop haben auch das Einkaufs-Erlebnis in den Läden beeinflusst: „In unserem Store in Frankfurt haben wir über unsere ‚Seamless-Media-Commerce‘-Stationen einen Versuch gestartet, Zusatzinformationen interaktiv an der Verkaufsstelle zu präsentieren: Dort können die Sneaker auf eine Scanner-Station gestellt werden. Über den QR-Code auf der Unterseite des Schuhs erkennt das System das Modell und gibt über drei Bildschirme simultan alle Zusatzinfos zum Schuh inklusive Größen, Verfügbarkeit und weitere Informationen aus. Unsere Kunden schätzen die Filtermöglichkeiten im Onlineshop sehr. Deswegen benutzen unsere Berater im Geschäft oft parallel auch das Ipad, um die gewünschten Modelle gleich eingrenzen zu können. Die Läden sind aber nicht nur Schaufenster für das wesentlich größere Online-Angebot: Sneaker sind Lifestyle, zum Verkaufsstart begehrter Modelle stehen die Hardcore-Fans schon frühmorgens vor dem Laden. Partys mit befreundeten Geschäften am Peterstor und am Doll bringen natürlich auch neue Kunden in unsere Onlinewelt“, erklärt 43einhalb-Mitbetreiber Mischa Krewer. (Marius Auth) +++

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