Kit(t)chen Cooking in JVA Hünfeld
Lieblingsrezepte Gefangener - Anstaltspfarrer Dr. Leipold als Ideengeber
Fotos: Gudrun Schmidl
01.06.2017 / BAD HERSFELD/HÜNFELD -
Somalischer Knastkuchen, Türkisches aus der Pfanne oder Sucuk mit Rührei gehören zu den Rezepten, die im aktuell erschienenen Kochbuch „Kit(t)chen Cooking“ zum Nachkochen und zum Nachdenken anregen sollen. Die Idee mit dem Kochbuch für Rezepte im Gefängnis kam Andreas Leipold, weil das abendliche Kochen eine Tätigkeit ist, die für die Gefangenen und ihr soziales Leben auf den Stationen ganz wichtig ist. „Sie kochen für bis zu acht Personen und laden sich gegenseitig ein, was die Gemeinschaft fördert“, erklärt Leipold, der seit 2006 Evangelischer Seelsorger an der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hünfeld ist, im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Sein Aufruf an die Gefangenen, zusammen ein Kochbuch zu erstellen, wurde erhört. Die eingereichten Lieblingsrezepte beinhalten pfiffige Koch- und Backideen, Vorschläge für das Frühstück und das Zubereiten von Salaten, die man auch unter das Motto: „Not macht erfinderisch“ stellen kann.
„Es ist ein Bereich, wo sie Kreativität ausleben können, indem sie bestimmen, was sie kochen“, bekräftigt Andreas Leipold in dem Wissen, dass für die Gefangenen während der Zeit im Gefängnis ihre Vorlieben das Einzige sind, was sie behalten dürfen. Und zwar an allererster Stelle die, die ihr Essen betrifft. Mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen aus der Gefängnisküche werden die Gefangenen bestens versorgt und essen genau das, was auch dem Gefängnispersonal in der Kantine serviert wird. „Das Essen, das die Gefangenen nach ihrem eigenen Geschmack kochen, ist dagegen eine Art Mangelküche“, betont Andreas Leipold, denn der sogenannte Einkauf ist im Gefängnis beschränkt und variiert von Anstalt zu Anstalt. An der JVA sind zum Beispiel Mehl und Pfeffer verboten. Der Einkauf geht auch nicht über direkten Kauf, sondern über eine schriftliche Bestellung, die in dem durchaus gut sortierten Ladengeschäft auf dem Gefängnisareal zusammengestellt wird. Der Einkauf ist für die Gefangenen zumeist der wiederkehrende Höhepunkt im eintönigen Gefängnisalltag“, bekräftigt Leipold.
Für das von Andreas Leipold herausgegebene Kochbuch gibt es noch andere gute Gründe. Es enthält aussagekräftige Bilder, die Gefangene während ihres Aufenthalts in einer Justizvollzugsanstalt gemalt haben, die einiges über ihre Gedanken und Gefühle verraten und Außenstehende auffordern, über den Umgang mit Gefangenen nachzudenken. Außerdem wird das Kochbuch mit einer Geschichte eines Gefangenen „gewürzt“, der unter dem Pseudonym Georgij Ebermann schreibt und damit die Lebenswirklichkeit der Menschen, die ihre Freiheit für eine Zeitlang verloren haben, zu Papier bringt. Dieser „Russlanddeutsche“ gehört zu den Insassen, die den Gefängnispfarrer am meisten berührt haben. „Er kam mit sechs Kisten voller Blätter, die alle vollgeschrieben waren“, erinnert er sich und ergänzt: „Noch immer träumt er davon, als Schriftsteller entdeckt zu werden“. Vor allem bewundert Andreas Leipold die „Zartheit in den Geschichten“ des Mittvierzigers.
Es sind derzeit bei voller Belegung rund 500 Männer, die wegen Betäubungsmitteldelikten, Diebstahl und Körperverletzung in der JVA Hünfeld einsitzen. Über die Zubereitung eigener Mahlzeiten wollen sie sich ihre Würde, ihre Eigenständigkeit und ihre Tradition ein kleines Stück weit erhalten. Andreas Leipold hat das von ihm initiierte Kochbuch in einer Erstauflage von 250 Stück drucken lassen. Wer an den (Überlebens)-Rezepten Interesse hat und das Kochbuch für 10 Euro kaufen möchte, wendet sich bitte an Dr. Andreas Leipold unter a.leipold@t-online.de . (Gudrun Schmidl) +++