Die Mittwochs-Kolumne

WIELOCH schreibt an (39)… die Opfer des Enkeltricks


Foto: O|N

24.05.2017 / REGION - Liebe(r) Hedwig, Klara, Alfred, Josef,



„Rate mal, wer hier spricht?“. Inzwischen wissen Sie: Es war nicht Ihr Enkel. Der Kerl an der Haustür war auch nicht ein Freund Ihres Enkels. Perfide Gauner sind im Telefonbuch auf Ihre Namen gestoßen. Auf ältere Vornamen, die am anderen Ende der Leitung leichtes Spiel erhoffen lassen. Sie sind nicht Jahrgang 1970 oder jünger. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie verwitwet, krank, dement, vor allem einsam sind. Und plötzlich kommt für einen kurzen Augenblick ein bisschen Licht in Ihren grauen Alltag. Jemand denkt an Sie. Sie dürfen helfen. Oder besser: Sie müssen helfen. Aus Freude wird schnell emotionaler Druck. Das neue Auto, die Traumwohnung, die unaufschiebbare OP – es hängt an Ihnen. Ein kurzer Glücksmoment, der Sie tausende, im schlimmsten Fall gar zehntausende Euro kostet. Ihre kompletten Ersparnisse, für die Sie ein Leben lang geschuftet haben: Futsch, von Ihnen persönlich auf dem Silbertablett serviert an einen wildfremden Ganoven. Die Sekunde, wenn Ihnen das bewusst wird… Ich will es mir nicht vorstellen.

Liebe Enkeltrick-Opfer, ich wünschte, Arkadiusz Lakatosz würde all Ihren Zorn gleichzeitig zu spüren bekommen, bitte auch per Gehhilfe. Der 49-Jährige ist der Erfinder des Enkeltricks. Von Hamburg aus schwappte die miese Masche in andere Teile Deutschlands, nach Österreich und in die Schweiz. Seit 1999 soll „Hoss“, wie der Bandenboss genannt wird, auf diese Weise mehr als eine Milliarde Euro erbeutet haben. Bereits seit Jahren narrt Lakatosz die polnische Polizei, kommt immer wieder auf freien Fuß gegen Kaution. Von Ihrem Geld. Als wären Sie nicht schon genug bestraft...

Fiese Enkeltrick-Schurken, Sie sind extrem eloquent. Haben psychologisches Geschick. Können sehr schnell verbal reagieren, manipulieren. Ich stelle Sie mir in der Telefonseelsorge vor. Oder am Notruf. Sie wüssten, wie Sie verzweifelte Menschen beruhigen können. Über Ehrenamt zum Nulltarif oder Hilfe für ein paar Euro pro Stunde können Sie nur lachen. Ihre Anrufe bringen Tausende ein. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie für eine Plastiktüte voller Geld ganze Leben zerstören, Jahrzehnte mühevoller Arbeit auf einen Schlag überflüssig machen? Können Sie Ihren ahnungslosen Opfern in die Augen schauen? Ich glaube, die Enkeltrick-Nummer ist für Sie nur ein Job. Andere fahren ins Büro. Auf die Baustelle. Sie gehen betrügen.

Liebe Senioren, ich hoffe, Sie pflegen einen innigen Kontakt zu Ihren Enkeln und Neffen. Haben deren Handynummern für einen spontanen „Rückruf“. Und im Ernstfall aufmerksame und sensibilisierte Bank-Angestellte, die Ihnen nicht ohne mit der Wimper zu zucken 37.000 Euro auf den Tresen blättern. Oft ist das Geldinstitut die letzte Instanz, die Ihnen die Augen öffnen kann. Zum Glück treffen Sie hier noch auf Menschen und nicht nur auf eiskalte Automaten wie Arkadiusz Lakatosz. Machen Sie ihn endlich arbeitslos!

Mit herzlichen Grüßen



X