Unter dem Tomatenbeet
Berufungsverfahren: Rentnerin (75) verscharrt tote Mitbewohnerin und kassiert Rente
Fotos: Julius Böhm
06.04.2017 / GREBENHAIN / GIEßEN - Der Fall hatte bundesweit Aufsehen erregt und für Abscheu gesorgt: Eine 75-jährige Rentnerin aus Grebenhain, die ihre Freundin nach deren natürlichem Tod im Garten vergraben und dann jahrelang deren Pflegegeld kassiert hat, steht ab heute erneut vor Gericht, weil sie das erstinstanzliche Urteil von dreieinhalb Jahren Haft für sich nicht akzeptieren will. Die Richterin des Amtsgerichts Alsfeld hatte die Tat in der Urteilsbegründung als "ruchlos" bezeichnet.
Verurteilt worden war die offensichtlich keineswegs reumütige Frau wegen gewerbsmäßigen Betrugs. Sie hatte ihre bettlägrige Freundin jahrelang zuhause gepflegt und sie dabei offenbar systematisch von der Außenwelt abgeschirmt. Diese hatte keine Angehörige oder Bekannte und auch keinen Hausarzt. Nach deren Tod im Alter von 81 Jahren hatte die Angeklagte über zehn Jahre lang deren Rente und Pflegegeld kassiert und sich so eine Gesamtsumme von 135.000 Euro ergaunert.
Besonders makaber bleibt von der ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht Alsfeld in Erinnerung, dass die Angeklagte während der Verhandlung freimütig zugab, auf dem Grab der dort verscharrten Freundin ein kleines Gemüsebeet mit Tomaten angepflanzt zu haben. "Ich mag gar keine Tomaten. Deshalb habe ich sie an die Nachbarn verschenkt", erzählt die 75-Jährige in aller Ungerührtheit. Mit dem betrügerisch kassierten Geld der im Garten Verscharrten hatte die stets über Geldnot klagende Frau eine Begräbnisversicherung für sich selbst abgeschlossen, um so eine pietätvolle Beerdigung für sich zu finanzieren. Die 75-Jährige hatte weder ein einziges Wort des Bedauerns über ihre Tat über die Lippen gebracht noch vor Gericht die Wahrheit gesagt. Zwar hatte sie das Vergraben und den Betrug im großen und ganzen zugegeben, aber diverse widersprüchliche Versionen des Tatgeschehens aufgetischt, die sie entlasten sollten. Die ständig wechselnden Geschichten der Angeklagten hatten den Staatsanwalt Thomas Hauburger empört: „Ich finde es eine Unverschämtheit, was Sie uns für Lügen auftischen. So etwas habe ich noch nicht erlebt.“
Ab heute muss nun der komplette Fall neu aufgerollt werden, weil die Verurteilte in Berufung gegen das von ihr als zu hart empfundene Urteil gegangen ist. Die Beweisaufnahme wird vom Landgericht Gießen wieder aufgenommen und alle Fakten noch einmal bewertet. Es sind zwei weitere Verhandlungstage für den 20. und 26. April angesetzt. Dann könnte das zweitinstanzliche Urteil fallen. Ob die 75-Jährige so eine mildere Strafe erreichen kann, bleibt abzuwarten. Carla Ihle-Becker+++