Vortragsreihe zur jüdischen Geschichte

"Unbekannte Nachbarn": Ehemaliges Rabbiner-Haus als neues Forum für Gespräche

Das ehemalige Rabbiner-Haus in der Von-Schildeck-Straße in Fulda
Fotos: Erich Gutberlet

31.03.2017 / FULDA - „Die Stadtpolitik fühlt sich ihrem historischen Erbe verpflichtet und verbunden“, sagte am Donnerstag-abend Ex-OB Gerhard Möller in seiner Funktion als Vorsitzender des Fuldaer Geschichtsvereins und gab damit den Startschuss zu einer neuen Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Unbekannte Nachbarn“, in der die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Fulda nicht nur weiter aufgearbeitet werden soll. Vielmehr will die Initiative vor allem auch das Zusammenleben von Christen und Juden in Fulda im Heute und Jetzt befördern und eventuell bestehende Barrieren abbauen.


Ort der Veranstaltung war das ehemalige Rabbiner-Haus in der Von-Schildeck-Straße, das auf Wunsch der neuen Besitzerin Ingeborg Kropp-Arend, die das Anwesen 2015 von ihren Eltern übernommen hat, zu einer Begegnungsstätte mit kulturellem Austausch werden soll. Seit vielen Jahren schon interessiert sich die gebürtige Fuldaerin für die jüdische Geschichte in ihrer Heimatstadt. „Bei Baumaßnahmen am Martin-Luther-Platz haben mein Mann und ich einmal Fragmente jüdischer Grabsteine entdeckt“, sagte sie in ihrem Grußwort. „Und es war uns eine große Freude, sie der jüdischen Gemeinde hier in Fulda zurückgeben zu können.“
Diese hatte vor 30 Jahren, im Mai 1987, nach inständigem Werben des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Wolfgang Hamberger in Fulda wieder Fuß gefasst. Stadtverordnetenvorsteherin Margarete Hartmann erinnerte in ihrem Grußwort an den im vergangenen Jahr verstorbenen Michael Cahn, den Sohn des letzten in Fulda wirkenden Provinzial-Rabbiners, der 2015 von der Stadt Fulda mit der Ferdinand-Braun-Medaille ausgezeichnet worden war und in seiner Dankesrede trotz aller Nazigräuel Worte der Versöhnung und der Vergebung gefunden habe.
Hauptredner des Abends war Dr. Thomas Heiler, Kulturamtschef und Stadtarchivar, der vor gut sechzig Zuhörern über „Den jüdischen Beitrag zur Geschichte Fuldas als Forschungsaufgabe“ sprach. Heiler hielt einen profunden Vortrag über das christlich-jüdische Verhältnis in den letzten Jahrhunderten. Den Fokus richtete er zunächst auf die Lebenserinnerungen des in Flieden und Fulda aufgewachsenen Juden Berthold Wallach, die unter dem Titel „Der Sturm zieht auf“ erschienen sind. Wallach, der 1939 gerade noch rechtzeitig nach Amerika emigrieren konnte, stünde beispielhaft für das Schicksal von Millionen Juden, deren Vita praktisch über Nacht eine das ganze Leben verändernde Wende erlebt hätte.
.„Bei aktuellen Problemen wie etwa dem der Migration erwartet man Lösungshilfen aus den Erfahrungen der Vergangenheit“, sagte Heiler. „Und von der Historikerzunft werden in der Öffentlichkeit Antworten und Hinweise gefordert, sonst bleibt dieses Feld den Talkshows und Stammtischen überlassen.“ Heiler zeigte etliche Themen auf, die im Zusammenhang mit der Geschichte der Juden in Fulda erforscht werden könnten und regte ein Dokumentationszentrum sowie eine Dauerausstellung an. „Wichtig ist in diesem Zusammenhang, bei der Bearbeitung der genannten Themen alle Beteiligten mitzunehmen. Hierfür bieten die künftigen Gespräche in diesem Haus ein willkommenes Forum.“ (Matthias Witzel) +++

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