"Feuerwehrmann durch und durch"

Heute wäre Feuerwehr-Visionär Ernst Sitzmann 100 Jahre alt geworden

Ernst Sitzmann reicht Landrat Dr. Stieler die Hand. Beide haben am 31. März Geburtstag.
Fotos: Familie Sitzmann / Kreisfeuerwehrverband/Heimatmuseum Eichenzell

31.03.2017 / REGION - Es ist bisweilen verblüffend, wie professionell und mit welch technischem Gerät die freiwilligen Feuerwehren der Region im Einsatz sind - als Blaulicht-Report kommt man gar nicht umhin, ihnen im Einsatz zuzuschauen. Sicherlich ist der Fortschritt einer Institution wie der der Feuerwehr nicht an einer Person festzumachen. Ernst Sitzmann aber, der heute 100 Jahre alt werden würde, hat die Wehren des Landkreises nach dem Zweiten Weltkrieg als Visionär, als Feuerwehrmann durch und durch auf eine gute Reise geschickt.

1958 wurde der damalige Ortsbrandmeister von Eichenzell durch Landrat Dr. Eduard Stieler zum Kreisbrandinspektor (KBI) ernannt. In den kommenden 18 Jahren sollte sich vieles verändern. Fokus auf Ausbildung, Brandschutzmissionierung auf dem Land oder die erste Jugendfeuerwehr - nach dem Zweiten Weltkrieg fehlte es an allen Ecken und Enden und es brauchte jemanden, "der die Notwendigkeit erkannte, wie wichtig die Feuerwehr war und ist", sagt Gustav Münker aus Bimbach, der direkte Nachfolger Sitzmanns.

Lehrgang auf dem Land

Anfang der 60er Jahre war die Landesfeuerwehrschule in Kassel die einzige in Hessen. So etwas wie eine Verdienstausfallregelung wegen einer Feuerwehrausbildung existierte nicht. Faktisch war es für viele motivierte Männer unmöglich, eine feuerwehrtechnische Ausbildung abzuschließen, weil sie in Beruf und Landwirtschaft eingespannt waren. Sitzmann erkannte dieses Problem und auch, wie wichtig eine gute Ausbildung ist, um im Notfall helfen zu können.

In der kleinen Turnhalle in seinem Heimatort Eichenzell wurden Bierbänke aufgestellt, Kuchen gebacken und Kaffee gekocht. 1963 fand der erste Feuerwehrgrundlehrgang außerhalb Kassels im Landkreis Fulda statt - wochenends. "Es war unglaublich, wie motiviert die Männer waren. Sie konnten endlich den Grundlehrgang ablegen. Der Ausbildungsstand verbesserte sich schlagartig, weil die Fortbildung schlichtweg nun möglich war", erinnert sich Münker. Die Nachfrage war rasch so groß, dass weitere Lehrgänge andernorts im Landkreis Fulda angeboten werden mussten.

Kerzell: die erste Jugendfeuerwehr

Ein Jahr später gründete sich die erste Jugendfeuerwehr des Landkreises in Eichenzell-Kerzell. Eichenzell folgte 1966. "Die Jugend ist unsere Zukunft - auch im Brandschutzwesen", wird Sitzmann in Dokumenten des Kreisfeuerwehrverbandes zitiert, "schaffen Sie für die jungen Menschen echte Erlebnisse und sie werden der Feuerwehr die Treue halten." Über das inzwischen traditionelle Zeltlager der Kreisjugendfeuerwehr erzählt man sich heute noch Geschichten. Die Idee stammt von Sitzmann. Er schaffte auch die Zelte an.

"Die Entscheidungen von damals sind bis heute aktuell", sagt Münker, der von 1977 bis 2001 KBI war, "Sitzmann war Feuerwehrmann aus Überzeugung. Er wollte helfen. Er wollte aber auch, dass es Spaß macht, dass das Zusammenleben und die Kameradschaft stimmten. Er konnte motivieren und mitreißen. Ich durfte immer wieder erleben, wie er junge Leute für das Ehrenamt Feuerwehr gewann."

"Missionierungsarbeit" direkt vor Ort

Dabei sei aber keine Hierarchie, sondern ehrliche Überzeugungskraft der Antrieb zur Veränderung gewesen. "Sitzmann ist raus aufs Land, auf Höfe gefahren und hat für Brandschutz, Löschwasserteiche und Zisternen geworben. Er wollte die Menschen überzeugen und nicht per Verordnung des Landkreises zu etwas zwingen", erinnert sich Münker, der vor seiner Zeit als KBI seit 1967 einer von Sitzmanns Ausbildern war.

"Die Spuren, die Ernst hinterlassen hat, sind großartig. Ich als Nachfolger bin ihnen gefolgt", sagt der 76-jährige Münker, "ich bin kein Freund von Fußstapfen oder ähnlichen Vergleichen. Aber den Grundgedanken von Ernst Sitzmann haben ich und meine Leute weitergetragen. Ich glaube, er lebt noch heute." (Julius Böhm) +++

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