Gelebte Tradition

In Mottgers ist der Strohbär los: "Aufs Klo gehen ist echt schwierig"



01.03.2017 / SINNTAL - Bündel um Bündel Stroh wird am Körper von Hendrik Müller festgebunden. Mit jedem kleinen Päckchen wird er ein Stückchen unbeweglicher. Insgesamt 30 Kilogramm wiegt am Ende sein Kostüm. Eine schwere Last, die er aber gerne trägt. Bereits zum zweiten Mal ist der 19-Jährige aus Sterbfritz Strohbär von Mottgers - und das, obwohl das eigentlich nur "Einheimischen" überlassen bleibt. Doch seine Großmutter lebt in Mottgers, ebenso wie viele seiner Freunde und so übernimmt er die Aufgabe mit großer Leidenschaft.

Fragt man Müller, was einem bei so einer Tradition durch den Kopf geht, lacht er verschmitzt und antwortet bloß: "Nicht viel." Es gebe nur ein richtiges Problem dabei. "Man kann eben nicht auf's Klo gehen in dem Kostüm und wenn, dann ist es echt schwierig." Unbeweglich wie er ist, muss der Strohbär sich bei allem helfen lassen. Er wird gefüttert, gefahren, aufgestellt und abgelegt. Dafür braucht er eine Horde Hexen, die ihn begleiten. Das sind junge Männer und Frauen aus Mottgers, die sich teilweise zwei bis drei Monate auf diesen Tag vorbereiten. Masken werden geschnitzt und verziert, Kostüme probiert. "Viele der Hexen lassen die Rohlinge für ihre Masken anfertigen und gestalten sie dann selbst individuell. Das wurde in den letzten Jahren immer mehr", erzählt Daniel Faust. Er ist seit 15 Jahren dabei und eine der erfahrensten Hexen in Müllers Gespann. 

Mehr als 100 Jahre gibt es die Tradition in dem Örtchen in der Gemeinde Sinntal und solange begleiten den Bären auch schon die Hexen. Die Symbolik dahinter ist, dass der Strohbär den Winter vertreibt und dafür von den Bürgern mit Spenden bedacht wird. Die Hexen sollen das wilde Tier zähmen. Noch vor rund zehn Jahren war der kostümierte Protagonist sogar in Ketten gelegt und lief selbst von Tür zu Tür. Doch das hatte oft den Nachteil, dass er schon nach wenigen Metern einen Großteil seines Kostüms verloren hatte. 



Anstrengend ist es trotzdem. Nach einer knappen Stunde liegen - und ja, auch dem einen oder anderen Schnaps - erklärt der Strohbär:"Langsam tun die Arme weh." Doch schon kurz darauf macht er einen seiner wenigen Wege zu Fuß, direkt in ein Klassenzimmer der Mottgerser Grundschule. Dort beenden Bär und Hexen jährlich am Fastnachtsdienstag den Unterricht und nehmen die Kinder dann mit auf ihre Tour durch das Dorf. Vor allem die weiblichen Hexen achten darauf, dass den Kleinen dabei nichts zustößt und die wiederum helfen eifrig beim Spendensammeln. 

Nach etwa sechs Stunden, in denen die engagierten Fastnachter ungefähr genau so viele Kilometer zurückgelegt haben, kehren sie im "Hasenheim" unweit der Schule ein. Dort wird gefeiert und gemeinsam alle Spenden verzehrt. Der Strohbär lädt ein, denn spätestens seit er keine Ketten mehr trägt, ist er ein ganz besonders kuschliger Zeitgenosse. (Sabrina Ilona Teufel) +++

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