Mitten im Dammersbacher Wald

Profitgeier am Werk? - Drei Rotmilanhorste spurlos verschwunden

Im Sommer 2016 sitzt diese Rotmilan-Familie auf dem Horst
Fotos (2): Ewald Sauer

22.02.2017 / HÜNFELD - Breite Schotterpisten führen in den Wald, mittendrin drei über 200 Meter hohe Windkraftanlagen. Die Energiewende ist auch in der Vorderrhön angekommen. Zwischen Dammersbach und Hofbieber ist die Entrüstung groß - ein laufendes Klageverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Und doch droht weiteres Ungemach. Laut der Ausweisung der Vorranggebiete sind 21 weitere Windräder möglich. Was die Menschen in dem rund 460 zählenden Hünfelder Stadtteil Dammersbach und die Naturschützer außerdem stocksauer macht: In jümgster Zeit sind drei Rotmilanhorste spurlos verschwunden - kaum zu glauben.


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"Ein Horstbaum wurde gefällt, die anderen beiden sind auf unerklärliche Weise verschwunden", wie Reinhard Kolb vom Arbeitskreis Fulda/Rhön der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) mitteilt. Der Naturschützer vermutet jedoch, dass diese mutwillig zerstört wurden. Die Horste waren seit mehreren Jahren regelmäßig besetzt und in allen dreien war es noch im letzten Jahr zum Bruterfolg gekommen.

Besondere Brisanz erlangt das Verschwinden der Greifvogelhorste durch die Tatsache, dass diese sich im Bereich der Windenergieanlagen Traisbach-Dammersbach befunden haben. Diese Wälder sind als Vorranggebiete des Teilregionalplans Windenergie ausgewiesen worden. Warum, ist den Menschen vor Ort unerklärlich. "In und um die Vorranggebiete befindet sich ein einzigartiges Dichtezentrums des Rotmilans", erklärt Siegfried Bug, Ortsvorsteher und Sprecher der BI Dammersbach. „Das bedeutet, hier leben auf cirka 4,5 Quadratkilometer fünf Brutpaare mit durchschnittlich acht bis zehn Jungvögeln.“ Belegt werden diese Zahlen durch intensive Beobachtung und Kartierung im Rahmen des staatlich geförderten Rotmilan-Schutzprojektes Rhön. 

Reinhard Kolb von der HGON ist auch im Artenschutzprojekt Rotmilan im Biosphärenreservat Rhön aktiv und fassungslos: "Hier wird mit öffentlichen Geldern ein wichtiges Rotmilan-Projekt umgesetzt, um dem Charaktervogel der Rhön ein Überleben in dieser Kulturlandschaft zu sichern. Gleichzeitig jedoch wird in unmittelbarer Nähe durch die Errichtung von Windrädern ein einzigartiges Dichtezentrum zerstört."

Mit rund 12.000 Paaren brütet gut die Hälfte des nur in Europa lebenden Greifvogels in Deutschland. Hessen beherbergt einen überdurchschnittlich hohen Anteil von etwa 10 Prozent des deutschen Bestandes, hauptsächlich in der Rhön, im Vogelsberg sowie in Teilen Nordhessens. "Wir Hessen haben für den Rotmilan eine besondere Verantwortung", betont Kolb.

Doch neben der Zerstörung der drei bekannten Horststandorte wurde im Frühjahr 2016 ein Rotmilan gefunden, der an einem ausgelegten Giftköder verendet war. Kolb kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass hier „gezielt von Lobbygruppen Schutzargumente, die einen Bau von Windrädern verhindern, aus dem Weg geräumt werden.“

Trotz aller naturschutzfachlichen Argumente sind in Traisbach-Dammersbach drei Anlagen vom Regierungspräsidium in Kassel genehmigt worden. Die HGON hat dagegen Klage eingereicht, und obwohl noch immer kein Urteil gesprochen ist, wurden die Windräder gebaut. Die geforderte aufschiebende Wirkung bis zur Urteilsentscheidung ist laut Kolb abgelehnt worden.

Doch Aufgeben ist für die Akteure keine Option: "Wir werden einerseits die Lebensweise von Rotmilan und anderen geschützten Arten wie dem Schwarzstorch in unseren Bürgerwäldern durch Sachverständige weiterhin beobachten und dokumentieren lassen", erklärt Ortsvorsteher Bug. "Darüber hinaus werden wir alle relevanten Horststandorte auf jede uns mögliche Art und unter Hinzuziehung von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft vor jeglichen Eingriffen schützen."

Bereits im vergangenen Jahr wurden Horststandorte des Rotmilans durch ortskundige Kartierer im Auftrag des Biosphärenreservates Rhön ermittelt. Gleichzeit ließ die ABO Wind AG ein Rotmilangutachten erstellen. Auf das Angebot zur Zusammenarbeit und Abstimmung der Ergebnisse beider Gutachten erfolgte laut Bug seitens der ABO Wind keine Reaktion. "Offensichtlich ist ein Nachweis der hohen Populationsdichte des Rotmilans rund um Dammersbach nicht im gemeinsamen Interesse", so Bug. Doch wie gesagt, Aufgeben ist keine Option. (Hans-Hubertus Braune / pm) +++

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