Ein zwiespältiger Abend

Kabarett und Zoten: „Nur Nuhr“ in Esperanto-Halle - "Heute nicht gut drauf"


Alle Fotos: Martin Engel

29.01.2017 / FULDA - Zwei eingefleischte Dieter-Nuhr-Fans, die den Kabarettisten und Comedian schon über zehn Jahre bei seinen Auftritten in Osthessen begleiten, brachten es am Samstagabend nach dessen Auftritt in der Esperanto-Halle, als sie neben einem Autogramm und einigen Schnappschüssen nur noch ein müdes Lächeln von Dieter Nuhr ergattern konnten, auf den Punkt: „Der war heute nicht gut drauf.“ Eine Einschätzung, die mit dem vielleicht besten Gag des Abends korrespondiert, den Nuhr gleich zu Beginn der Show abfeuerte: „Ich bin momentan etwas in Hektik, weil ich gerade meinen neuen Jahresrückblick vorbereite.“


Der ambivalente Abend begann damit, dass 2.700 Zuschauer Dieter Nuhr mit herzlichem Beifall empfingen, dieser aber nicht einmal zurückgrüßte, sondern stumpf mit seinem neuen Programm „Nur Nuhr“ begann. Die Formulierung „neues Programm“ ist freilich zu hoch gegriffen. Wenn der geschätzte Michael Mittermeier oder der weniger geschätzte Mario Barth ein neues Programm ankündigen, dann bekommt das Publikum tatsächlich etwas Neues zu sehen. Nuhrs wohl gemeinte Botschaft „Wir nehmen die Welt schlechter wahr als sie ist“ ist indes dieselbe wie schon bei den letzten Tourneen, nutzt sich langsam ab und kam an diesem Abend recht uninspiriert über die Rampe. Vielleicht ist das Fernsehen in seiner komprimierten Darstellung doch das passendere Format für den Entertainer.
 Dabei kann er es eigentlich: das politische Kabarett. Dieter Nuhr ist stark, wenn er Tacheles redet. Wissenschaftler hätten herausgefunden – „ganz ohne Witz“ –, dass Darmbakterien dafür verantwortlich seien, wie die Menschen so sind: „Es heißt nicht umsonst ,braune Scheiße‘. Haben sich hier heute Abend zufällig Nazis in den Saal verirrt und denken jetzt: ,Der Nuhr spricht ja lange Sätze?‘ Raus mit euch! Ich will euch hier nicht haben.“ Die schlimmste Gefahr gehe von „machtgeilen Zwergen“ aus, ätzte Nuhr, gab als historische Beispiele Hitler und Stalin an, und verwies aktuell auf Erdogan, Kim Jong Un, Putin und Donald Trump. Letzterer sei angeblich 1,91 m groß, in Wirklichkeit aber nur 1,34 m. „Der wird jeden Morgen von seiner Melanie aufgeblasen. – Mit der Fuß-Pumpe, versteht sich.“
 Dieter Nuhrs politische Statements folgen einer humanistischen Weltanschauung und kommen beim Publikum gut an. Er verabscheut Eiferer jedweder Couleur, ob sie nun als AfD, Pegida oder IS auftreten. So sei die Angst vor der Burka völlig unbegründet. „Ich kenne so viele Menschen wie zum Beispiel Stefan Köppe oder Frauke Petry, bei denen ich mir denke: Tu doch da mal einen Sack drüber. Am besten einen schalldichten.“ Null Verständnis hat Nuhr für die vielen Bürger in Mecklenburg-Vorpommern, die ihre Angst vor Überfremdung äußerten, obwohl dort nachweislich kaum Flüchtlinge untergebracht seien. „Dort entzieht sich der Ausländer der Diskriminierung durch Abwesenheit.“
 Den zweiten Teil des Abends widmet Dieter Nuhr dem alltäglichen Wahnsinn. Er spottet über ignorante Fußgänger im Straßenverkehr, über missionarische Vegetarier, über waffentechnische Defizite in der Bundeswehr, das irrwitzige deutsche Steuersystem, realitätsverzerrende Medienberichterstattung und Datenspeicherung. Political Correctness ist seine Sache dabei nicht, was nicht weiter schlimm ist. Indes hätte es dem Abend gut getan, wenn der Wort-Akrobat nicht ein ums andere Mal den schmalen Grat zur schlüpfrigen Zote überschritten hätte. Der „Ein-Schlitz-Toaster für den Singlehaushalt“ war da noch einer der gelungeneren Kalauer.

Sei’s drum: Dieter Nuhr hatte in Fulda ein wohlwollendes und dankbares Publikum und verließ nach etwas über zwei Stunden die Bühne ebenso unspektakulär wie er sie betreten hatte. „Nur Nuhr“ war an diesem Abend dann doch ein wenig zu wenig. (Matthias Witzel)  +++

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