Schräge Reime aus einer skurrilen Welt
Autor und Liedermacher Holger Bischoff liest Ringelnatz
Fotos: Dietmar Kelkel
22.01.2017 / STEINAU/Str. - „Ich bin eine alte Kommode. Oft mit Tinte oder Rotwein begossen. Manchmal mit Fußtritten geschlossen. Ich bin nur ein kleiner, unanständiger Schalk. Mein richtiges Herz, das ist anderwärts, irgendwo, im Muschelkalk.“ Dem Lyriker, Spießbürgerschreck und Matrosen Joachim Ringelnatz hat der Schlüchterner Autor und Liedermacher Holger Bischoff im Steinauer Rosengarten einen literarischen Abend gewidmet.
Unter dem Titel „Heiter bis stürmisch“ begab sich der Germanist auf eine lyrische Reise in die skurrile Welt des komischen Kauzes und seiner schrägen Reime. In den Mittelpunkt stellte Bischoff die Kunstfigur Kuttel Daddeldu. „Swiethart! Manilahaariges Kitty-Anny-Pipi – oder wie du heißt – Bulldog aheu! Bei Jesus Chreist ich war – seit Konstantinopel – dir immer treu. Scheek hends! Ehrlich und offen: Ich bin gar nicht besoffen“, hieß es in Daddeldus Lied an die feste Braut.
Weiter ging es mit dem Abendgebet einer erkälteten Negerin und der Ansprache an eine Geschminkte: „Glaube mir, liebes Kind: Wenn man einmal in Sansibar und in Tirol und im Gefängnis und in Kalkutta war, dann merkt man erst, dass man nicht weiß, wie sonderbar die Menschen sind.“ Neben den Rezitationen griff er immer wieder zur Gitarre und spielte seine neuesten Kompositionen.
„An M.
Der du meine Wege mit mir gehst,
Jede Laune meiner Wimper spürst,
Meine Schlechtigkeiten duldest und verstehst -
Weißt du wohl, wie heiß du mich oft rührst?
Wenn ich tot bin, darfst du gar nicht trauern.
Meine Liebe wird mich überdauern
und in fremden Kleidern dir begegnen Und dich segnen.
Lebe, lache gut! Mache deine Sache gut!“
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden seine Werke auf den Index gesetzt. Ringelnatz erhielt Bühnenverbot. Nur zwei Jahre später starb er an den Folgen einer verschleppten Tuberkulose. Als letzte Liebesgabe bekam er einen Grabstein aus Muschelkalk. +++