Saniert nach 25 Jahren Leerstand

Gewinnername „Silberdiener“ - Schmuckstück Pfandhausstraße 2

Aktuelle Außenansicht des sanierten Schmuckstücks
Fotos: Olaf Koch

24.01.2017 / FULDA - Seit fast 500 Jahren gibt es das Haus in der Pfandhausstraße 2, jetzt ist es denkmalgerecht saniert und wird nach 25 Jahren Leerstand wieder genutzt. Es haben Familien darin gewohnt, es diente als Alterswohnsitz von Priestern und zuletzt befand sich im Erdgeschoss ein Blumengeschäft. Einwohner mit verschiedensten Professionen arbeiteten in den Räumen, beispielsweise Drechsler oder Hutmacher. Diesem Stadthaus der Renaissance mit seiner wechselvollen Geschichte einen zeitlosen und doch treffenden Namen zu geben, war das Anliegen von Christian Adolph, Besitzer und Inhaber des angrenzenden Juweliergeschäfts Bott. Unter seinen Kunden und Facebook-Fans lobte er deshalb ein Gewinnspiel aus, um einen passenden Namen zu finden – mit überwältigender Resonanz: „Wir erhielten über 200 Vorschläge, dazu alte Fotos und geschichtliche Hinweise, die wir vorher nicht kannten. Bei den vielen kreativen Namensideen fiel die Wahl schwerer als gedacht.“



Gleich drei Personen reichten den Gewinnervorschlag ein und finden den Namen in Kürze am Haus angebracht: „Silberdiener-Haus“. Christina Johanna Ebert, Johannes Michel und Michael Mott, erhalten jeweils den Hauptgewinn, einen Einkaufsgutschein über 200 Euro. Weitere interessante Vorschläge wie „Das Badehaus“ oder „16 Gulden“ kamen von Heidi Heil, Sylvia Nena Schmidt, Alexander Wittstadt, Carina Jirsch und Detlef Schuhmann – sie wurden unter allen Einsendern aus der Lostrommel gezogen und freuen sich über ein Schmuckstück in 925er Silber aus der Fulda-Edition von Juwelier Bott.

Der Name „Silberdiener“ gefiel so gut, weil er in der Tradition steht, Hausnamen vom Beruf der Bewohner abzuleiten. Noch heute gibt es in den Dörfern rund um Fulda Hausnamen wie Mellersch oder Schustersch, die in der Umgangssprache vor die Vornamen der Familienmitglieder gesetzt werden, z.B. Schustersch Karl. Einer der ersten schriftlich festgehaltenen Bewohner der Pfandhausstraße 2 war von Beruf Silberdiener. Er war für Anschaffung, Pflege, Reparatur und Verkauf der Silberwaren im adeligen Haushalt zuständig. Damit war er sowohl praktisch für das Tafelsilber zuständig wie auch Finanzverwalter. In guten Zeiten wurde neues Tafelsilber in Auftrag gegeben, in schlechten wurde es versilbert, das heißt eingeschmolzen und zu Münzen geprägt. So verweist der Hausname „Silberdiener“ auf eine Zeit, als es noch keine Grundbücher und Hausnummern gab, und stellt über das Silber als Edelmetall gleichzeitig einen Bezug zur Branche des heutigen Besitzers her.

Vortrag von Michael Mott "Hofsilberdiener-Haus - ein Hausname erzählt Geschichte"

"Fulda im Jahre 1545: Es war die Zeit nach den Bauernkriegen und die Regierungszeit des Fuldaer Fürstabtes Philipp Schenck von Schweinsberg (1541-1550). Man befand sich mitten in den Reformationswirren (Stichwort Konzil von Trient 1545) In Fulda entwarf der Reformtheologe Georg Witzel mit dem Fürstabt als Zwischenlösung eine Kirchenordnung. Sie gestattete bei der Taufe die deutsche Sprache und den Empfang der Kommunion unter beiderlei Gestalt. Und Fulda litt im Schmalkaldischen Krieg unter der Besetzung durch Truppen des Kurfürsten von Sachsen, durch viele Tote und Geldzahlung. 1544 entstand das Gebäude zum Schwarzen Bären am Buttermarkt.

Was, oder für was ist ein Silberdiener

Was ist nun ein Silberdiener: Dazu muss man einen kurzen Blick in die Geschichte richten: Silberdiener (servus ab argento) gab es schon in der Römerzeit nicht nur bei den Herrscherfamilien, sondern auch in den Häusern reicher Leute, wo es eine Silberkammer (Argyreion, Argyrokopeion) gab. Nachgeordnete Bedienstete waren z.B. die Silbermägde, Silberlakaien, Silbergehülfen oder die Silberwäscherinnen. Auch am Hofe der Fuldaer Fürstäbte und Fürstbischöfe, gab es eine Silberkammer mit in der Regel zwei Silberdiener, die zum Hochfürstlichen Hofmarschallamt und damit zum Hofstaat gehörig, diesem unterstellt waren. Vom Jahre 1790 ist dies dem "Fürstlichen Hochstiftes Fulda Staats = und Standeskalender" zu entnehmen. Die Silberkammer, dessen Bestände inventarisiert waren und deren Zu- und Abgänge durch ein Manual erfasst werden mussten, diente nicht nur zur Aufbewahrung des aktuellen höfischen Tafelsilbers, sondern beherbergte auch ältere Stücke der Silber- oder Goldschmiedekunst und andere Pretiosen, hatte also den Charakter einer Schatzkammer. Ein Silberdiener war nun als Aufsicht und Vertrauensperson hauptverantwortlich für das Silberzeug und den Gebrauch der Gegenstände.

Einer der hiesigen Silberdiener war der durch seine 1607 begonnene Fuldaer Chronik bekannt gewordene Fuldaer Gangolf Hartung (1597-1667), als genauer Beobachter des Geschehens mit verlässlichen Angaben. 1629 trat der Fuldaer in die Dienste des Fürstabtes, wurde Fürstlicher Futterschreiber und schließlich am 14. April 1635 von Fürstabt Hermann Georg von Neuhof als Silberdiener angenommen „Gott gebe Glück!“, schreibt Hartung der 1659 zum Bürgermeister gewählt wurde.

Die Fuldaer Silberdiener haben sicherlich auch stets ein „waches Auge“ auf viele der wertvollen Silbergeräte gehabt, die leider unter dem letzten Fürstbischof Adalbert III. von Harstall(1789-1802) der Vermünzung zum Opfer fielen und zu Kontributionstalern geprägt wurden. Damals sollen der Überlieferung nach, aber einige der Silbergerätschaften gerettet worden sein, so die sagenhaften silbernen „zwölf Apostel“, deren Verbleib aber heute im Dunkeln liegt. Die letzten Silberdiener der Silberkammer unter Fürstbischof von Harstall im Jahre 1802 waren Franz Uth und Andreas Drögler.

Auch nach der Säkularisation 1802, also die Trennung von Kirche und Staat, gab es zunächst in der ehemaligen fuldischen fürstbischöflichen Residenz, heute Stadtschloss, noch Silberdiener. Der erste weltliche Herrscher war Wilhelm Friedrich Prinz von Oranien-Nassau, welcher von Fulda aus 1802 bis 1806 ein Streustaat von Kleinterritorien regierte. Im Jahre 1806 gehörten zu seinem Fuldaer Hofstaat der Silberdiener Cornelißen und der Tafeldecker Trogler, die unter der Fürstlichen Silberkammer aufgeführt sind. Ob letzterer Trogler mit dem Drögler identisch ist, also aus den Diensten Harstalls zu dem Oranier übergewechselt ist, wäre möglich. Von 1810 und 1813 gehörte Fulda als Departement zum Großherzogtum Frankfurt. Laut „Staats-Calender“ des Jahres 1812 gehörten zum Hofstaat Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Carl Theodor von Dalberg zwei Silberspülerinnen und eine Silbermagd. Dalbergs Residenz befand sich im Thurn-und-Taxis Palais in Frankfurt nahe des Eschenheimer Turms und der Hauptwache.

In kurhessischer Zeit ab 1816 wäre Kurfürstin Auguste von Preußen (1780-1841), Schwester des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., beinahe nach ihrer Trennung von Kurfürst Wilhelm II. mit ihren Kindern ins kurfürstliche Schloß nach Fulda gezogen und unterzeichnete 1829 einen entsprechenden Vertrag. Augustes Hofhaltung umfasste 51 Personen, darunter Silberdiener, Silberburschen und eine Silberwäscherin. Das Schloss wurde ihren Wünschen entsprechend umgebaut, Umstände machten es aber möglich, dass die Kurfürstin in Kassel verblieb. Mit Augustes Tod 1841 war die Benutzung der Fuldaer Schlösser (mit Schloss Fasanerie) durch das hessische Fürstenhaus vorerst hinfällig geworden. Nach dem das Kurfürstentum Hessen 1866 von Preußen annektiert worden war, wurde das Fuldaer Schloss nun zunehmend von einer fürstlichen Residenz und einem Verwaltungssitz zum Mietobjekt degradiert. Ein Kastellan verwaltete das Schloss, das schließlich am 30. Dezember 1893 für 450.000 Mark in die Hände der Stadt Fulda überging. Dennoch wird man dort heutzutage gelegentlich einem Silberdiener im Kostüm des 18. Jh. ansichtig. Er heißt Volker Joerg und ist seit drei Jahren „im Amt“. Das Fuldaer städtische Tourismusamt organisiert auch auf Wunsch das Rahmenprogramm bei Veranstaltungen: „Schokoladenmädchen und barocke Tafelfreuden“. Sollte die Gruppe größer als 30 Personen sein, erhält das Schokoladenmädchen beim anreichen von Kostproben Unterstützung vom selbigen Silberdiener.

Silberdiener Johann Michael Fehling

Die Nachrichten über den Silberdiener Fehling, der wohl unter Fürstabt Adolph von Dalberg(1726 bis 1737) im Amt war und seiner Familie sind recht spärlich und auch mühsam zu recherchieren. Zum einen sind die Einträge in den Kirchbüchern der Stadtpfarrei Fulda zu Rate zu ziehen. In den Heiratsmatrikeln der Jahre 1711 bis 1749 findet sich am 25. April 1724 der Heiratseintrag von Johann Michael Fehling mit Anna Maria „fasterdin“. Es dürfte sich um eine Tochter des im Jahre 1708 genannten Hausbesitzers Ludwig Faster(t) (+ 9. Mai 1719??) und dessen Ehefrau Elisabeth handeln. Das Haus wurde mit 16 Gulden Wert angegeben. Heinrich Ludwig Faster erhielt 1688 das Fuldaer Bürgerrecht, stammte aus Hammelburg und war von Beruf Fuldaer Stadttürmer. Er besaß seit dem 16. September 1694 auch einen Garten „auffem Graben beym Eng Thörlein“ mit 18 ½ Ruthen Größe (beim Frauentörlein und Thörleinsbad nahe Hexenturm/Stadtgraben heute Kanalstraße), für den er 120 Gulden bezahlte (Anm.: Der rechte Turm der Stadtpfarrkirche mit seiner Türmerwohnung existierte noch nicht, der Neubau der Kirche wurde erst 1786 fertiggestellt).

Sie hatten zusammen mindestens ein Kind. In den Taufmatrikeln von 1711 bis 1749 ist am 10. September 1724 die Taufe einer Tochter Katharina Adelheid bezeugt. Diese verheiratete sich am 16. Mai 1747 mit einem Adam Philipp Hummel. Wenn man dieser Linie nachginge, könnte man u. U. heute noch einen echten Nachfahren des Silberdieners in Fulda ausmachen.

Johann Michael Fehling erscheint dann wieder im Rats-Protokoll der Stadt Fulda (III, 107) und zwar am 26. Oktober 1736. Bei „sitzendem Stadtgericht“ im alten Rathaus erfolgte die Aufnahme von 24 Männern aus Fulda und 31 „Frembte“ als Bürger der Stadt Fulda. Unter Letzteren finden wir an 14. Stelle unseren Johann Michael mit dem Herkunftsvermerk „von Schlitz“. Zur Erläuterung sei angefügt, das man seinerzeit mit der Geburt in Fulda nicht wie heute automatisch auch Bürger von Fulda war. Das Bürgerrecht wurde auf Antrag, zumeist bei bestimmten Anlässen wie Heirat, Geschäftsgründung(steuerpflichtiges Gewerbe) usw., verbunden mit einem Eid verliehen, was an bestimmte Vorbedingungen geknüpft und mit einer kleinen Abgabe u. a. ein lederner Feuerlöscheimer, verbunden war. Warum Johann Michael Fehling erst relativ spät als hiesiger Bürger neu auf- und angenommen wurde, könnte damit zu tun haben, das er als zum Hofstaat gehörig, keinen Bürgereid leisten musste. Möglicherweise wurdet er 1736 aus dem Dienst entlassen, trat in den Ruhestand und leistete dann erst den Bürgereid.

Der von uns vorgeschlagene Hausname erregt Aufmerksamkeit, macht neugierig und regt zu Nachfragen an. So bildet dann das Gebäude nicht nur wegen Alter und Architektur auch bei Stadtrundgängen und -führungen unserer Gäste eine wichtige Station und verlangt augenfällig Erläuterungen zu unserer reichen Stadtgeschichte. Unter diesem Namen könnte der Bauzeuge vorbarocker Zeit auch Eingang in die Liste der besonderen Gebäude mit geschichtlicher Bedeutung finden usw.. Da ja auch das Edelmetall Silber gut mit dem Juweliergeschäft Bott in Einklang zu bringen ist, finden wir eine entsprechende Namensgebung gut begründet.

Im Übrigen würden wir für das Gebäude die Anlegung einer Hauschronik empfehlen, in der in Zukunft alle wichtigen, das Haus betreffende Ereignisse verzeichnet werden könnten. Auch ein Aushang im Treppenflur mit einigen geschichtlichen Daten und Dokumenten wäre empfehlenswert. Man könnte den Namen und Haus auch mit weiteren Aktivitäten, wie z.B. Ausstellungen von Fürstlichen Tafelgeschirr etc. in Verbindung bringen."+++



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