Die MITTWOCHS-KOLUMNE

WIELOCH schreibt an (19)… Osthessen im Dauer-Winterschlaf



04.01.2017 / REGION - Liebes Osthessen,



wir kennen uns schon lange und sind gut befreundet. Deshalb bin ich ehrlich zu dir: Wärst du meine Frau, wir hätten dringenden Redebedarf. Nur gut aussehen reicht nicht. Was bist du für ein fürchterlicher Langweiler geworden. Seit Monaten verhältst du dich wie ein biederer Musterschüler – wirtschaftlich auf soliden Füßen, brav, mit Weitsicht geführt, ohne Skandale, öffentliche Intrigen, emotionale Debatten, große Aufreger und politisch zweifelhafte Entscheidungen. Größenwahn ist dir völlig fremd geworden. Selbst auf Petersberg und Bad Hersfeld ist kein Verlass mehr. Das ist schön. Für einen Kolumnisten aber auch schön öde. Ich weigere mich, über den Schnee zu schreiben.

Ich träume vom chaotischen Stuttgart 21. Vom Millionengrab Elbphilharmonie. Der Berliner Flughafen lässt mein Herz schneller schlagen. Als Kind der Region denke ich grundsätzlich einige Nummern kleiner. Was gäbe ich für einen wieder mal unerlaubt aufgespannten Sonnenschirm. Für einen neuen hässlichen Holzhund. Für einen Wedel-Rauswurf in der Lullusstadt. Eine Eislaufbahn ohne Eis. Für unbrauchbare Senioren-Sitze, eine falsch adressierte E-Mail. Ich bin wirklich nicht mehr anspruchsvoll. Aber was lieferst du? „Hünfeld: Säuglingspflegekurs – Bald sind wir zu dritt.“ – „Gersfeld: Es hat heute Nacht geschneit – zwei Lifte in Betrieb.“ – „Hasselroth: Pferde und Rinder grasen am Hässeler Weiher.“ Hör auf mich zu veralbern!

Meine jüngsten großen Hoffnungen ruhten auf dem Neujahrsempfang der Diözese. Vielleicht springt ein Brief an unseren Bischof dabei heraus. Oder an unseren Ersten Kreisbeigeordneten. Eventuell an den Katholikenratsvorsitzenden. Alle hatten sich nach der Silvesternacht zu unchristlicher Stunde ins Fuldaer Priesterseminar geschleppt. Der ideale Nährboden für einen Fauxpas, für klare Worte, bedeutende Thesen oder große Gesten. Mein Gott war ich naiv. Doch dann fiel mir zufällig ein vegetarisches Tofu-Wurstgulaschrezept in die Hände. Mit Paprika und Erbsen nach Omas Art. Mit einer Zwiebel. Einer Knoblauchzehe, feingehackt. Vier Esslöffeln Tomatenmark. Und einem halben Bund Schnittlauch. Gegen die Redemanuskripte unseres Trios las sich das wie ein Krimi. Packend, mitreißend, vollkommen emotionalisierend – denn anstelle der 250 Gramm Nudeln im Original können auch 750 Gramm Kartoffeln verwendet werden. Die muss man im Gegensatz zur Schonkost am Rednerpult erst mal verdauen.

Liebes Osthessen, du siehst, die Not ist groß. Doch du bist Teil meiner Familie, da trennt man sich nicht, hält zusammen. Und verstehe mich bitte nicht falsch: Ich wünsche mir nichts mehr als ein friedliches, ruhiges und harmonisches Jahr. Trotzdem: Ich will nicht, dass du dich auch 2017 jeden Tag als Rudolf Scharping verkleidest, mich zum Dösen bringst. Hella von Sinnen. Jürgen Klopp. Johannes Dyba. Gernot Hassknecht. Du hast sie doch alle drauf. Wir haben Wahljahr. Los, wach endlich auf. Lass die Katze aus dem Sack. Pardon, Letzteres nehme ich zurück. Wie ich dich kenne, lieferst du uns sonst morgen die Eilmeldung „Kater Puschel sucht ein neues Zuhause“…

Mit herzlichen Grüßen









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