"Der Weg der Kirche ist der Mensch"
Traditioneller Neujahrsempfang des Bistums mit 100 Gästen - VIDEOFILM
02.01.2017 / FULDA -
Im ethischen Bereich herrschten weit und breit Pragmatismus und Nützlichkeitsdenken, fuhr der Bischof fort. „Das menschliche Leben an seinem Anfang und Ende steht in Frage und zur Disposition. In diesen Zusammenhang gehört der Skandal der Abtreibungen, der gesellschaftlich ganz einfach überspielt und aus dem Bewusstsein herausgedrängt wird.“ Die Kirche müsse angesichts solcher Fiebersymptome die Fragen der Menschen offenlegen und vorstellen. Sie tue gut daran, den stummen Fragen in den Grenzsituationen und Zusammenbrüchen der Menschen eine Sprache zu geben. „Die Kirche in Deutschland, natürlich auch die fuldische, ist längst nicht mehr Volkskirche. Sie ist auch noch nicht wirklich missionarische Kirche, die der geistlichen Stützpunkte bedarf und weiß, dass es ohne Sammlung der Menschen im Geist Jesu Christi keine Sendung geben wird.“
Generalvikar Prof. Stanke hatte eingangs die Gäste aus Kirche, Politik und öffentlichem Leben im Namen des Bistums willkommen geheißen und das große Engagement des Caritasverbandes, des Sozialdienstes katholischer Frauen und der Haupt- und Ehrenamtlichen in den Pfarreien für Flüchtlinge in allen Regionen der Diözese, vor allem auch die Arbeit mit den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, gewürdigt. „Es ist ein Zeugnis für die Kraft des Evangeliums und ein Zeichen gegen die Gleichgültigkeit.“
Stanke: "Verrohung in den sozialen Medien"
Prof. Stanke stellte heraus, dass der pastorale Bistumsprozess 2030, der sich mit der künftigen Ausrichtung der Seelsorge in der Diözese befasst, im neuen Jahr entscheidend weitergeführt werde. Die strategischen Ziele, die auch die Menschen im Blick haben, die der Kirche ferner stehen, seien überarbeitet und neu konzipiert worden, so dass der Bischof sie Pfingsten in Kraft setzen könne. Danach beginne die Phase der Umsetzung. „Bei all unseren Planungen geht es darum, die Botschaft Jesu Christi ursprungsgetreu und zeitgemäß zu verkünden, und zwar vor dem Hintergrund der Veränderungen in Gesellschaft und Kirche.“ Die Kirche müsse sich fragen, wovon sie sich verabschieden müsse und welche neuen Wege sie beschreiten solle. Das Ziel müsse es sein, die Botschaft des Evangeliums auf den Leuchter zu stellen (Bischof Joachim Wanke). Die Mitte des Evangeliums sei das Wort „Ja“. „Jesus ist das Ja Gottes zu jedem Menschen“, zeigte sich der Generalvikar überzeugt. Der Mensch dürfe im Bewusstsein leben, dass er gewollt und erwünscht sei, auch wenn die Menschen ihn das nicht immer so eindeutig erfahren ließen. „Der Kirche ist diese positive, befreiende Antwort anvertraut, und wir haben heute hier im Bistum Fulda den Auftrag, diese Botschaft weiterzusagen an die Menschen unserer Zeit.“ In der heutigen Gesellschaft sei leider eine Verrohung in den sozialen Medien festzustellen; unter dem Deckmantel der Anonymität komme ein menschenverachtendes Denken zur Sprache.
Erster Kreisbeigeordneter Frederik Schmitt sprach im Namen von Landrat Bernd Woide und Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld seine Neujahrswünsche aus und hob in seiner Ansprache hervor, dass auf lange Sicht hin in den letzten 200 Jahren eine deutliche Verbesserung für alle Menschen auf der Erde eingetreten sei: Abnahme extremer Armut, Zunahme der Alphabetisierung, deutlicher Rückgang der Kindersterblichkeit. Diese positive Entwicklung werde subjektiv von vielen Menschen nicht wahrgenommen, da sie annähmen, es ginge ihnen immer schlechter. Allerdings könne es nicht allein um einen materiellen Fortschritt gehen, sondern es müsse jede Generation auch moralisch aus der Freiheit leben (Papst Franziskus). „Wir sind aufgerufen, unsere Werte und Lebensweise zu verteidigen“, so Schmitt, der einen rationalen Optimismus, Zuversicht und Gottvertrauen im Hinblick auf die Herausforderungen unserer Zeit anmahnte.
Vor dem offiziellen Neujahrsempfang feierte die Bistumsspitze mit vielen hundert Gläubigen im Dom das traditionelle Neujahrsamt. Am Ende tauschten viele Menschen mit Bischof Algermissen und Weihbischof Diez den Neujahrsgruß aus (siehe dazu die folgende Bilderserie von Martin Engel). +++